Polen: Debatten um neuen Status des schulischen Religionsunterrichts
Die Kommission für katholische Erziehung der Polnischen Bischofskonferenz hat an die Wichtigkeit des Religionsunterrichts an polnischen Schulen erinnert. Der Religionsunterricht führe in die Welt des Guten, Wahren und Schönen ein und helfe den jungen Menschen, einen Lebenssinn angesichts der diversen zivilisatorischen und kulturellen Herausforderungen zu finden. Die Entscheidung des polnischen Bildungsministeriums, den Religionsunterricht nicht mehr in den Notenschnitt einzubeziehen, hält die Kommission für schädlich, heißt es in einer Erklärung vom 10. April. Die Kommission verwies diesbezüglich auf zahlreiche persönliche Petitionen, die sie aus ganz Polen mit mehreren tausend Unterschriften erreicht hätten, sowie darauf, dass die Stimmen von tausenden Lehrern, Erzieherinnen und Eltern nicht berücksichtigt worden seien. Zudem stehe die Kommission auf Seiten der Religionslehrer, die um ihre Arbeitsstelle besorgt seien.
Die Kommission, die von der Bischofskonferenz Mitte März eingesetzt worden war, reagierte mit ihrer Stellungnahme auf die Ankündigung der neuen Bildungsministerin Barbara Nowacka, den schulischen Religionsunterricht von zwei auf eine Stunde pro Woche kürzen und nicht mehr im schulischen Notendurchschnitt anrechnen zu wollen. Dabei betonte Nowacka, die Änderungen nicht ohne Kontakt mit der Bischofskonferenz durchführen zu wollen.
Aus Sicht der bischöflichen Kommission ist die im Januar gegründete Gesellschaft der Laienkatecheten (Stowarzyszenie katechetów świeckich) eine hoffnungsvolle Initiative, die allerdings auch kirchenrechtlich eingebettet werden sollte. Die konfessionell ungebundene Gesellschaft wurde aufgrund der Ankündigung der Bildungsministerin zwecks Interessenvertretung der Laienkatechetinnen und -katecheten gegründet und hat bereits die Öffentlichkeitskampagne Akcja #dOCEŃto organisiert, um Nutzen und Wert religiöser Bildung wie auch Aspekte der Glaubensfreiheit und der Toleranz gegenüber anderen religiösen und philosophischen Systemen zu betonen. Die Gesellschaft argumentiert gegen die Abwertung des Religionsunterrichts im Schulsystem durch den Ausschluss aus dem Notensystem. Bei einer Sitzung am 11. April haben sich 77 Prozent der Mitglieder gegen eine Statusänderung als zivilrechtliche Gesellschaft zu einer privaten Gesellschaft gemäß Kirchenrecht ausgesprochen.
In einem Antwortbrief des Bildungsministeriums an den Vorsitzenden der Katecheten-Gesellschaft vom 28. März wird betont, dass derzeit noch keine Gesetzesänderungen bezüglich der Statusänderung des Religionsunterrichts geplant seien, und dass zunächst breite gesellschaftliche Konsultationen auch mit den Kirchen und Glaubensvereinigungen stattfinden sollen. Der Ausschluss der Noten in Religion und Ethik aus dem Notendurchschnitt sei aber bereits in Neuerungsvorschlägen des Bildungsministeriums vom 22. Februar 2019 vorgesehen worden.
Dies stieß auf Kritik, weil andere Wahlfächer nicht von dieser Gesetzesänderung betroffen sind. Elżbieta Cibor, Katechetin und Co-Autorin einer nicht kirchlichen Petition gegen die geplanten Veränderungen bezüglich des Religionsunterrichts, zeigte sich vom Erfolg mit über 16000 Unterschriften überrascht. Da es im Unterricht nicht nur um die Heilige Schrift gehe, sondern um Geschichte, Bioethik, Ethik und psychosoziale Fähigkeiten, werde der Religionsunterricht von vielen Menschen geschätzt.
Am 28. Juli 1993 hatte die polnische Regierung ein Konkordat mit dem Hl. Stuhl unterzeichnet, das sie zur Einrichtung eines katholischen Religionsunterrichtes innerhalb des Stundenplanes verpflichtet. Seit 1997 ist der Religionsunterricht in der Verfassung verankert. Demnach ist es zulässig, dass die Religion der Kirchen und anderer öffentlich anerkannter Glaubensgemeinschaften in den Schulen (Kindergarten bis 12. Klasse) als Wahlfach unterrichtet wird. Gemäß der Religionsunterrichtsverordnung kann nach ähnlichem Prinzip Ethikunterricht an den öffentlichen Schulen angeboten werden. In der Praxis wird meistens ausschließlich der römisch-katholische Religionsunterricht angeboten.
Regula Zwahlen