Polen: Vorwürfe gegen neuen Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz
Der neue Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Danzigs Erzbischof Tadeusz Wojda, gerät wegen mutmaßlicher Versäumnisse im Umgang mit Missbrauchsfällen unter Druck. 46 Personen, die nach eigenen Angaben in der katholischen Kirche sexuellen Missbrauch erlitten haben, verlangten in einem am 20. Mai veröffentlichten Brief eine Suspendierung Wojdas vom Vorsitz bis zur Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Wojda hat in einer Videobotschaft vom 25. Mai die Rechtmäßigkeit des laufenden Verfahrens bestätigt und sich für etwaiges Fehlverhalten entschuldigt, falls „der Prozess das erwartete, gebührende Einfühlungsvermögen vermissen ließ“.
Der Erzbischof war bereits im Februar 2022 in einem Beitrag der Zeitschrift Tygodnik Powszechny beschuldigt worden, in seiner Diözese nachlässig mit Beschwerden zweier junger Frauen aus dem Jahr 2021 umgegangen zu sein, die einem Priester sexuellen Missbrauch vorgeworfen hatten. Zbigniew Nosowski, Chefredakteur der katholischen Quartalszeitschrift Więż, wies darauf bereits in einem scharfen Kommentar zur Wahl Wojdas hin. Wojda habe keinerlei Zukunftsvision, sei als Bischof inkompetent und dadurch bekannt, dass er unbekannt sei. Dennoch sei Wojda kein unbeschriebenes Blatt: Nosowski verwies auf Wojdas ambivalente Rolle als Erzbischof von Białystok (2017–2021) bei den gewalttätigen Attacken auf den „Marsch für Gleichstellung“ im Sommer 2019; in Danzig, wo er ab 2021 den kompromittierten Erzbischof Sławoj Leszek Głódź (2008–2020) ersetzte, fanden weder Personalwechsel noch weitere Aufklärung zu Fällen der Vertuschung sexueller Missbräuche statt. Zudem wurde die historische Kommission zur Aufklärung der Rolle des populären Danziger Solidarność-Pfarrer Henryk Jankowski von Wojda stillschweigend und ergebnislos aufgelöst.
Im Fall der beiden Klagen von 2021 sorgt vor allem die Versetzung des Missbrauchs angeklagten Priesters als Seelsorger in eine psychiatrische Klinik für Empörung. Auf 20 Fragen, die die Zeitschrift Więż der Erzdiözese Danzig dazu gestellt hat, erhielt sie keine konkrete Antwort. Darüber hinaus berichtete Nosowski in einer Reportage von einer umfangreichen Dokumentation über mögliche Fahrlässigkeiten des Danziger Erzbischofs, die im März bei der Apostolischen Nuntiatur in Warschau von einer Person eingereicht wurde, die anonym bleiben möchte. Der Sprecher der Erzdiözese Danzig, Maciej Kwiecień, reagierte am 10. Mai mit einer öffentlichen Stellungnahme auf die Reportage und warf Nosowski „fragmentarisches Wissen“ und die „Kreation einer alternativen Realität“ vor: „Der Fall des betroffenen Kaplans wird mit der gebotenen Sorgfalt und in Übereinstimmung mit den Richtlinien des Heiligen Stuhls behandelt.“
Die Bischofskonferenz bestätigte am 20. Mai, dass die Mitglieder ihres Ständigen Rates den Brief der 46 Missbrauchsbetroffenen erhalten hätten. Das Gremium wird laut Sprecher Leszek Gesiak auf seiner nächsten Sitzung die Fragen erörtern, die im Brief aufgeworfen werden.
Die Autoren des Briefs formulierten in ihrem Schreiben neben der Suspendierung Wojdas sieben weitere Forderungen: ein Treffen mit einer Delegation von Missbrauchsopfern bei einer Vollversammlung der Bischofskonferenz im Jahr 2024; Vorschläge an den Hl. Stuhl für Änderungen des Kirchenrechts, „die die Situation von Menschen verbessern, denen in der Kirche Unrecht geschieht“, darunter die Beteiligung der Geschädigten an den Verfahren als eigene Partei; ein baldiger Beginn der Arbeit einer unabhängigen Kommission zur Untersuchung von Fällen sexuellen Missbrauchs in der Kirche Polens seit 1945, welche die Bischofskonferenz Anfang 2023 angekündigt hatte; Einführung einer landesweiten Liste von guten und schlechten Praktiken in Bezug auf die Aspekte des Umgangs mit Geschädigten, die nicht vom Kirchenrecht abgedeckt sind; Ernennung eines Vertrauensanwalts für die Rechte von Personen, die in der Kirche geschädigt wurden; Ergänzung der Leitlinien der Polnischen Bischofskonferenz durch eine Verpflichtung der Bischöfe, sich an die Opfer zu wenden, von denen sie aus den Medien erfahren; und die Einbindung von mindestens einer Frau in jeder Diözese in das Opferhilfesystem. (mit Material von Kathpress, www.kathpress.at)
Regula Zwahlen