Polen: Zuspitzender Konflikt zwischen Kirche und Staat um Religionsunterricht
Anfang September hat die Polnische Bischofskonferenz eine Botschaft zum Beginn des Schuljahres veröffentlicht. Darin betonte sie wie bereits im April, dass sie mit den Plänen des Bildungsministeriums zur Reform des Religionsunterrichts nicht einverstanden ist, den Ausschluss der Benotung desselben aus dem Notenschnitt als unfair und ungerecht empfindet und vermehrten Dialog der Regierung mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften wünscht.
Auch ein Regierungsdekret des Bildungsministeriums zur Reform des Religionsunterrichts in Schulen von Ende Juli stieß auf heftigen Widerstand der polnischen Bischöfe. Demnach kann der Religionsunterricht von mehreren Jahrgängen zusammengelegt werden, falls in einer Klasse weniger als sieben Schülerinnen und Schüler das Fach Religion wählen. Die Bischöfe wandten sich in dieser Angelegenheit an den Obersten Gerichtshof, der die Verordnung über den Religionsunterricht vor dem Verfassungsgericht angefochten und eine Schutzklausel erlassen hatte, die ihre Anwendung aussetzt. Das Bildungsministerium teilte jedoch in einem offiziellen Kommuniqué mit, dass „die oben genannte Verordnung in Übereinstimmung mit dem Gesetz erlassen wurde und ab dem 1. September 2024 allgemeine Gültigkeit hat.“
Am 5. August veröffentlichte der Bildungsausschuss der Bischöfe einen Appell: „Wir bitten alle, sich an der Aktion zur Verteidigung des Religionsunterrichts ‚Ja zur Religion in der Schule‘ zu beteiligen“.
Zur 14. „Woche der Bildung“ vom 8.-14. September veröffentlichte die Bischofskonferenz einen weiteren pastoralen Brief „Lasst uns gemeinsam ausbilden“. Darin geht es um das Recht christlicher Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder gemäß den Werten des Evangeliums, die Bekräftigung religiöser Bedürfnisse als menschliche Bedürfnisse und die Notwendigkeit der kirchlich-staatlichen Kooperation im Bildungsprozess: „Verheerend für die Wirksamkeit der Erziehung wäre ein Widerspruch zwischen den von der Schule vermittelten Werten und den von den Eltern vermittelten Werten. […] Die Eltern, die mit ihren Steuern die Schule mitfinanzieren, haben das Recht zu verlangen, dass die Schule ihr Kind durch den dortigen Religionsunterricht im Einklang mit dem in der Familie und der Kirche überlieferten Wertesystem erzieht.“ Auch der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Tadeusz Wojda, betonte zum Auftakt der Bildungswoche, dass ein Element der guten Erziehung die „Katechese ist, Religion in der Schule, Katechese in der Gemeinde, aber auch Katechese in der Familie“.
Eine Umfrage im Auftrag der polnischen Zeitschrift Rzeczpospolita hat ergeben, dass eine Mehrheit (ca. 60 Prozent) der polnischen Bevölkerung die Änderungen bei der Organisation des Religionsunterrichts an den Schulen begrüßt, wobei es sowohl im Regierungslager als auch in der Opposition Pro- und Kontrastimmen gibt.
Regula Zwahlen