Polen: Chefredakteur der katholischen Nachrichtenagentur tritt aus Protest gegen Umstrukturierung zurück
Marcin Przeciszewski, seit 1993 Chefredakteur und Geschäftsführer der Polnischen katholischen Nachrichtenagentur (KAI) hat am 27. Juni seinen Rücktritt von beiden Ämtern öffentlich bekannt gegeben. Er begründete den Schritt mit einem Beschluss der Polnischen Bischofskonferenz, die bisher voneinander unabhängigen katholischen Medienportale – die KAI, das Pressebüro der Bischofskonferenz und das Portal Opoka.pl – unter einem großen Medienkonsortium der Bischofskonferenz zu vereinen. Damit werde die KAI trotz Beibehaltung des Namens und des Logos faktisch liquidiert und unabhängige journalistische Arbeit verunmöglicht, erklärte Przeciszewski.
Laut der Pressemitteilung zur Bischofsversammlung vom 14. März analysierten die Bischöfe die „Aktivitäten der von der Polnischen Bischofskonferenz abhängigen Medien und wiesen auf die Notwendigkeit hin, die Zusammenarbeit zwischen ihnen zu verstärken, um der Kirche bestmöglich zu dienen.“ Michał Kłosowski berichtete in der katholischen Zeitschrift Więź, dass das Dokument „Vorschlag für Änderungen in der Verwaltung der Medieneinheiten der Polnischen Bischofskonferenz“ vom Sprecher der Bischofskonferenz, dem Jesuiten Leszek Gęsiak, im Februar verfasst wurde. Das neu geschaffene Konsortium solle die Kohärenz und die Effektivität der Kommunikation der Kirche in Polen gewährleisten. Ein Schlüsselelement des Plans sei die Einrichtung einer gemeinsamen Nachrichtenredaktion und die Umsetzung der sog. „integrierten positiven Kommunikation“, die Text-, Foto- und Videoinhalte sowie eine Krisenreaktionsstrategie umfasst. Diese Strategie sei von Przeciszewski und Tomasz Krolak, dem Vizechef der KAI, in einem Protestbrief und auch von anderen Experten kritisiert worden. Da Gęsiak an der vergangenen Bischofsversammlung am 12. Juni als Pressesprecher bestätigt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass die Medienreform die Unterstützung der Bischofskonferenz genießt. Für Kłosowski steht der Fall symbolisch für die ernsthafte Vertrauenskrise innerhalb der Kirche selbst: „Die Kirche in Polen braucht heute keinen PR-Schutzschirm. Sie braucht Medien, die ihr Gewissen, ihre Stimme und ihr Spiegel sind, kein Megaphon.“
Przeciszewski zufolge bedeutet die „Restrukturierung der Medien“ eine an totalitäre Zeiten erinnernde Zentralisierung unter einem Koordinationsorgan, während das bisherige, bei der Gründung von hochrangigen Hierarchen erarbeitete Modell der Informationsagentur weitgehende Autonomie genossen habe und nur durch den Stiftungsrat der KAI mit der Bischofskonferenz verbunden gewesen sei. Es gehe bei dem Projekt nicht mehr um eine „genaue Beschreibung der religiösen und kirchlichen Realität nach den wohlverstandenen Regeln des Journalismus“, sondern eher um eine neue PR-Agentur für die Bischofskonferenz.
Marcin Przeciszewski (*1958) leitete die KAI seit 32 Jahren, ihm wurde 2018 der päpstliche Gregoriusorden verliehen, die höchste päpstliche Auszeichnung für Laien. Zuletzt hatte er den Beschluss der Bischofskonferenz, eine neue Gruppe zur Einsetzung einer „Aufarbeitungskommission für Missbrauchsfälle“ einzuberufen, als „mediale Katastrophe“ bezeichnet.
Regula M. Zwahlen