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Polen: Polnische und deutsche Bischöfe gedenken historischen Briefwechsels

20. November 2025

In Wrocław/Breslau haben polnische und deutsche Bischöfe den 60. Jahrestag gewürdigt, an dem der historischen Briefwechsel zwischen den Bischöfen beider Länder begann. An dem Festakt mit Gottesdienst nahmen u.a. die Vorsitzenden der Polnischen und Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Tadeusz Wojda von Danzig und Bischof Georg Bätzing von Limburg sowie Erzbischof Antonio Guido Filipazzi, der Apostolische Nuntius in Polen, teil. Am 18. November 1965 hatten die polnischen Bischöfe an ihre deutschen Mitbrüder geschrieben und den berühmt gewordenen Satz formuliert: „Wir strecken unsere Hände zu Ihnen hin in den Bänken des zu Ende gehenden Konzils, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung.“ Der Briefwechsel fiel in die Schlussphase des Zweiten Vatikanischen Konzils, bei der sich die Bischöfe aus Polen und Deutschland kennengelernt hatten. Wrocław war die Bischofsstadt von Kardinal Bolesław Kominek (1903–1974), der als einer der Initiatoren und Hauptverfasser des polnischen Briefes gilt.

Am 16. November würdigte auch Papst Leo XIV. den Jahrestag nach dem Angelusgebet: „Ich grüße die polnischen Pilger und erinnere mich an den Jahrestag der Botschaft der Versöhnung, die von polnischen Bischöfen an die deutschen Bischöfe nach dem Zweiten Weltkrieg gerichtet wurde.“ Der derzeitige Erzbischof von Wrocław, Józef Kupny, rief die Gläubigen angesichts des Jahrestags dazu auf, „Apostel der Versöhnung“ zu sein. In diesen unruhigen Zeiten, „in denen hinter unserer östlichen Grenze in der Ukraine ein schrecklicher Krieg tobt“, müsse man niemanden davon überzeugen, dass die Idee der Versöhnung immer noch aktuell sei; bekräftigte er während der Pressekonferenz am 18. November.

Die Vorsitzenden der Polnischen und Deutschen Bischofskonferenz unterzeichneten auch eine gemeinsame Erklärung mit dem Titel „Mut zur ausgestreckten Hand“, die festhält, dass „die historischen Verletzungen […] unsere Gegenwart bis heute [prägen]“, jedoch nicht politisch ausgebeutet werden sollten: „Manche politischen Akteure versuchen, das immer noch Schmerzende und das historisch Unabgegoltene politisch zu nutzen. Für uns ist klar: Politische Spiele mit den historischen Verletzungen widersprechen dem Geist der Versöhnung, wie er im Briefwechsel zum Ausdruck kam.“

An der Pressekonferenz räumte Bischof Bätzing in seinem Statement ein, dass seiner Meinung nach das Interesse an dem Briefwechsel und dessen enorme Bedeutung für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen in der breiten Öffentlichkeit seines Landes sowie in Polen nicht so groß sei und dass eher „eine gewisse Ermüdung mit Blick auf den Nachbarn“ herrsche. Dennoch bräuchten die beiden Länder einander und gerade mit Blick auf die Ukraine werden sie gebraucht: „vor allem aber für den Aufbau eines Europas, das für uns alle der Garant für Sicherheit und Frieden, für Freiheit und soziale Gerechtigkeit sein soll. […] Polen und Deutschland haben in den zurückliegenden fast vier Jahren eng beieinandergestanden, um die Ukrainer in ihrem Abwehrkampf zu unterstützen, die humanitäre Not zu mindern und die Stabilität des Kontinents zu festigen. Hier, wie bei manch anderen Fragen, ist der gemeinsame Einsatz unserer Länder unverzichtbar.“

Bischof Bertram Meier von Augsburg und Co-Vorsitzender der Kontaktgruppe der Polnischen und Deutschen Bischofskonferenz, verwies auf einige Beispiele der Zusammenarbeit, wie die seit Mitte der 1990er Jahre existierende Kontaktgruppe der beiden Bischofskonferenzen, die große Zahl polnischer Priester und Nonnen, die in Deutschland pastorale Dienste Versehen, das kirchliche Hilfswerk Renovabis und die Maximilian Kolbe Stiftung.

Erzbischof Tadeusz Wojda, der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, erinnerte an den Kontext des Zweiten Vatikanischen Konzils, in dem der Briefwechsel initiiert worden war. Die Worte „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ enthielten die gesamte Tiefe der christlichen Spiritualität: „Nur sie konnte Balsam für die noch immer offenen Wunden des Krieges in der Erinnerung beider Völker sein, die durch Bilder von Verbrechen, Zerstörung, Deportationen und Konzentrationslagern aufgerissen wurden. Die polnische und die deutsche Nation betrachteten sich gegenseitig durch die Brille von Unrecht, Misstrauen und Leid.“ Die Kirchen beider Länder hätten den Mut gehabt, in der Sprache des Evangeliums und nicht der Politik zu sprechen. Der Brief zeige, dass „das Christentum nicht vor der Geschichte flieht, sondern sie verwandelt. Es verfälscht nicht die Wahrheit, sondern heilt sie. Es fordert keine Rache, sondern öffnet die Tür zu Vergebung und Brüderlichkeit.“

Teil des Festakts war die Eröffnung der Dauerausstellung „Versöhnung für Europa“ im Erzdiözesanmuseum in Wrocław, die bis zum 31. Dezember 2026 zu sehen ist, sowie ein ökumenisches Gebet mit der Teilnahme von Brüdern aus Taizé, griechisch-katholischen Bischöfen und Vertretern der Evangelisch-Augsburgischen Kirche. Am 19. November fand an der Päpstlichen Theologischen Fakultät in Wrocław auch eine internationale wissenschaftliche Konferenz zum „60. Jahrestag der Botschaft der polnischen Bischöfe an die deutschen Bischöfe“ statt.

Regula M. Zwahlen