Serbien/Kosovo: Orthodoxe Kirche will Mitspracherecht bei Kulturerbe-Gesetz
Die Serbische Orthodoxe Kirche (SOK) hat kritisiert, dass sie bei der Erarbeitung eines neuen Gesetzes zum Kulturerbe nicht miteinbezogen worden sei. Es sei „inakzeptabel“, dass das Gesetz nur auf dem Territorium Serbiens gelten solle, nicht aber in Kosovo und Metohija, wo sich die „größten serbischen Heiligtümer und wichtigsten serbischen Kulturdenkmäler befinden“. In ihrem Kommuniqué zeigt sich die Bischofsversammlung der SOK generell besorgt über Gesetzesentwürfe und neu eingeführte Gesetze, die ohne Dialog mit den Glaubensgemeinschaften ausgearbeitet würden, auch wenn die betreffenden Gesetze diese „unmittelbar betreffen“.
In einem Schreiben an die Kulturministerin Maja Gojković betonte der serbische Patriarch Porfirije, die SOK sei die „größte einzelne Besitzerin von geistlichem, beweglichem und unbeweglichem Kulturerbe in der Republik Serbien“. Daher sei es bedauerlich, dass sie nicht in die Erarbeitung der Vorlage einbezogen worden sei. Deshalb und mit Hinweis auf die „Mangelhaftigkeit bestimmter Artikel“ schlug er vor, die Verabschiedung bis auf weiteres aufzuschieben. Konkret bemängelte der Patriarch, dass zwar in sechs Artikeln die autonome Provinz Vojvodina erwähnt werde, Kosovo aber nirgends, obwohl das Kulturerbe dort am stärksten bedroht sei. Ein solcher Ausschluss würde die „riesigen Anstrengungen“ des Staats zum Schutz des dortigen Kulturerbes vermindern. Zudem befürchtet die Kirche wegen des Gesetzes, nicht mehr als Eigentümerin, sondern lediglich als Nutzerin von Kulturgütern zu gelten.
Die Kulturministerin informierte die SOK kurz darauf, dass deren Vorschläge angenommen seien. Dabei erklärte sie, der Text sei noch nicht im Stadium eines Gesetzesvorschlags und stehe daher nicht vor der Verabschiedung. Erst jetzt erörtere die zuständige Arbeitsgruppe die „zahlreichen Vorschläge der breiten Öffentlichkeit“, um den Text zu verbessern. Die Anregungen seien während der öffentlichen Debatte vom 6. bis 28. Mai gesammelt worden. Gojković bekräftigte das „gemeinsame Ziel“, das Kulturerbe – insbesondere in Kosovo – zu schützen. Für dieses Vorgehen bedankte sich Porfirije bei der Kulturministerin und lobte es als „Ausdruck des Verantwortungsbewusstseins eines der höchsten Regierungsvertreter unseres Landes“ sowie „persönliche Tat einer Intellektuellen und Patriotin“.
Bei einem Treffen zwischen der serbischen Justizministerin Maja Popović und Patriarch Porfirije wurde ebenfalls die Notwendigkeit betont, das Erbe der SOK in Kosovo zu schützen, aber auch die soziale und materielle Lage des Mönchtums zu verbessern. Die Justizministerin sicherte der Kirche zu, sie weiterhin materiell beim Schutz ihres Erbes zu unterstützen. Beide Seiten waren sich einig, dass eine Kooperation aller staatlichen Organe mit der SOK nötig sei, um die „nationale und kulturelle Identität zu bewahren und zu entwickeln sowie Fragen von nationaler Wichtigkeit zu lösen“.
Die Regierung von Kosovo hingegen hat sich unlängst mit der Forderung an die UNESCO gewandt, vier serbisch-orthodoxe Objekte von ihrer Liste gefährdeter Kulturerbestätten zu entfernen. Dabei handelt es sich um die drei Klöster von Peć, Visoki Dečani und Gračanica sowie die Kirche der Gottesmutter von Ljeviš in Prizren. Auch gegen die Aufnahme des Klosters Visoki Dečani auf die Liste der sieben am stärksten bedrohten Kulturerbestätten Europas durch den Denkmalschutz-Verband Europa Nostra, die unter anderem mit dem Status als bedrohtes UNESCO-Kulturerbe begründet wurde, hatte die kosovarische Regierung energisch protestiert.
Aufgrund der „irregeleiteten und ungenauen Information in den (sozialen) Medien“ verfasste der Rat von Europa Nostra an seiner Sitzung am 1. Juni 2021 ein Statement zu seiner Entscheidung. Dabei erläuterte er das Auswahlverfahren und betonte, dieses sei völlig regulär abgelaufen. Der Rat habe die besorgten Briefe einer kosovarischen Kulturerbe-NGO sowie der Präsidentin Vjosa Osmani und des Ministerpräsidenten Albin Kurti „ordnungsgemäß und respektvoll beantwortet“ sowie dem Direktor der NGO bei einem Online-Treffen versichert, Kosovo zu besuchen, sobald die epidemiologische Lage es zulasse. Für die endgültige Entscheidung zur Aufnahme gebe es eine „Reihe stichhaltiger Gründe“, die in der betreffenden Pressemitteilung dargelegt worden seien. Zudem gehe es bei der Liste nicht um die Verurteilung von Staaten, sondern um die Förderung der Kooperation aller Beteiligten.
Ministerpräsident Kurti hat Ende Mai in einem Brief an Sava Janjić, den Abt von Visoki Dečani, zudem sein Engagement für den Schutz des Kulturerbes aller Gemeinschaften in Kosovo betont und den Wunsch, das Kloster zu besuchen, geäußert. Das „reiche Kulturerbe“ sei eine „Quelle von Stolz, Identität und Bildung für unseren Staat und unser Volk“, und die kosovarischen Institutionen hätten „unzählige“ Schritte zum Schutz der kulturellen Rechte von Minderheiten unternommen, heißt es in dem Schreiben. Nur mit „direkter und ehrlicher Kommunikation“ könnten die Parteien einander besser verstehen, „Vorurteile und Missverständnisse ausräumen und gemeinsame Herausforderungen angehen“, erklärte Kurti weiter.
Die Eparchie Raška-Prizren reagierte mit einem Statement auf den Brief, in dem sie wiederholte, dass die kosovarischen Behörden zunächst das Urteil des Verfassungsgerichts von 2016 zum Eigentum des Klosters umsetzen sollten, falls sie ein Zeichen des „guten Willens zum Respekt der religiösen Rechte der SOK in Kosovo“ setzen wollten. Unter den aktuellen Umständen, da kein Respekt für Urteile und Rechtsstaatlichkeit gezeigt werde, komme eine Antwort auf solche Briefe nicht infrage. (NÖK)