Montenegro: Spannungen in der Montenegrinischen Orthodoxen Kirche
In der von der Gesamtorthodoxie nicht anerkannten Montenegrinischen Orthodoxen Kirche (MOK) wird über die Führung der Kirche gestritten. Am 3. September wählte eine Versammlung Bischof Boris (Bojović) von Ostrog und Nikšić zum neuen Metropoliten der MOK. Das langjährige Oberhaupt der MOK, Metropolit Mihailo (Dedeić), wurde in den Ruhestand versetzt. Mihailo kritisierte die als „Allmontenegrinische Versammlung“ bezeichnete Zusammenkunft jedoch als illegitim und auch ein Teil der Gläubigen der MOK erkennt die Wahl von Boris nicht an.
Einberufen wurde die Versammlung vom Rat zur Bewahrung der Montenegrinischen Orthodoxen Kirche. Dessen Vorsitzender, Milenko Perović, wirft Metropolit Mihailo vor, die Arbeit des Hl. Synods zu blockieren und damit jede „legale und legitime Auseinandersetzung mit seiner Arbeit“ zu verhindern. Mit seiner Absonderung von allen Organen der Kirche und von den Geistlichen und Gläubigen habe sich Mihailo selbst „de facto in den Ruhestand versetzt“, ob bewusst oder unbewusst. Die Versammlung habe das Recht, aus den „angesehensten Montenegrinern in Bischofsrobe“, die „ihren tiefen montenegrinischen Patriotismus und ihre Fähigkeit, die Kirche visionär und mit riesiger Energie zu führen, bewiesen haben“, einen neuen Metropoliten zu wählen.
Die MOK hat sich 1993 von der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) abgespalten und wird von keiner anderen orthodoxen Kirche anerkannt. Sie wird von einem Teil der montenegrinischen Eliten unterstützt, aber die große Mehrheit der Gläubigen im Land gehört noch immer zur Metropolie Montenegro der SOK. Ihre Hauptkirche befindet sich in der alten Hauptstadt Cetinje, darüber hinaus verfügt sie über eine kleine Kirche in Kotor, eine am Skutarisee, eine Kapelle in Nikšić sowie einige Dorfkirchen in Zentralmontenegro. In den letzten Jahren gab es kaum Fortschritte in Bezug auf eine breitere Anerkennung oder einen Zuwachs an Gläubigen. Bischof Boris gehört zur kleinen Zahl jüngerer Mönche in der MOK.
Nach seiner Wahl dankte Boris Metropolit Mihailo für seine Leistungen als Oberhaupt der MOK. Zugleich verwies er auf bevorstehende „klare Pflichten und Aktivitäten“. Er will einen Rat der Metropolie und einen administrativen Ausschuss bilden sowie mit den Bischöfen und den Priestern die Arbeit des Hl. Synods erneuern. So sollen Entscheidungen getroffen werden, die „die MOK aus der Krise führen“ würden, und ein Statut eingeführt werden, das „es nie mehr jemandem erlauben würde, die Arbeit der MOK zu blockieren“. Außerdem möchte er ein juristisches Team bilden, das Verfahren wegen der Wegnahme von Kirchen und Klöstern gegen Institutionen und Personen anstrengen soll.
Metropolit Mihailo bezeichnete die Versammlung als „verdorbenes politisches Meeting“ und „erfolglosen Putsch“. Sie habe „keinerlei Legalität und Legitimität“ und trete das Statut der MOK mit Füßen. Außerdem sei sie rechtlich nichtig und ziehe keine Konsequenzen für die Kirche und ihre Hierarchie nach sich. Mit „Straßentreffen“ könne der Metropolit nicht ausgewechselt werden und es könne nicht neben einem lebenden und gesunden Oberhaupt gewaltsam, entgegen dem Statut der MOK ein neues Oberhaupt gewählt werden.
In einem weiteren Statement rief die MOK die Gläubigen auf, nur ihren offiziellen Kanälen zu folgen. An der Versammlung hätten nur wenige uninformierte Gläubige teilgenommen, die sich der Lage nicht bewusst gewesen seien. Sie hätten gemeint, der Einladung der MOK zu folgen. Tatsächlich ist die Lage in den sozialen Medien verwirrend. Der Twitter-Account der MOK wird offenbar von Anhängern von Bischof Boris betrieben, während das Facebook-Profil anscheinend weiterhin von Mihailos Anhängern kontrolliert wird.
Metropolit Mihailo bezeichnete die Versammlung als Schisma. Auch in den Medien wird über eine Spaltung der MOK spekuliert. Offenbar bestehen in der Kirche schon seit längerem Spannungen, es schwele ein „stiller Krieg“. Vor einigen Monaten kam ein Mitschnitt eines unschönen Gesprächs zwischen Metropolit Mihailo und Bischof Boris an die Öffentlichkeit. Diesem folgten gegenseitige Beschuldigungen finanziellen Fehlverhaltens und der Missachtung des Kirchenlebens. Bereits vor der umstrittenen Wahl von Boris haben sich Teile der MOK abgespalten. Die Eparchie Podgorica und Duklja hat sich 2018 von der MOK getrennt, weil sie mit der Vorgehensweise von Metropolit Mihailo und der MOK nicht einverstanden war. Das Bistum Kotor teilte Anfang August 2023 mit, fortan selbstständig zu agieren.
Erzbischof Simeon von Kotor berichtete im Vorfeld über die „unangebrachte Einmischung“ von Bischof Boris und seinen Mitarbeitern in die Arbeit seiner Eparchie. Die Versammlung bezeichnete er als nichtkirchlich mit unklaren Zielen, deshalb rate er den Gläubigen, nicht teilzunehmen. Kurz darauf prangerte er zunehmende Druckversuche an, ihn mit Anrufen, Überzeugungsarbeit, dem Angebot materieller Vorteile und hoher kirchlicher Positionen zu einer Teilnahme an der Versammlung zu bewegen. Er lehnt jedoch die Sicht sowohl von Metropolit Mihailo als auch von Bischof Boris auf die „Gegenwart und Zukunft der Kirche“ ab. (NÖK)
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