Griechenland: Machtprobe zwischen Staat und Kirche um Corona-Maßnahmen
Zum Epiphanie-Fest ist es zwischen der griechischen Regierung und der orthodoxen Kirche des Landes zu einer Machtprobe gekommen. Obwohl die Regierung Anfang des Jahres die Corona-Schutzmaßnahmen nochmals verschärft und an die Kirche appelliert hatte, auf öffentliche Liturgien zu Epiphanias zu verzichten, beschloss die Hl. Synode auf einer Sondersitzung am 4. Januar an Gottesdiensten mit beschränkter Besucherzahl festzuhalten. Nach Verhandlungen mit der Kirchenspitze knickte die konservative Regierung unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis ein, so dass 50 Gläubige in den Metropolitankirchen und 25 Gläubige in kleineren Kirchen an der Liturgie teilnehmen konnten.
Diese Teilnehmerzahl hatte für die Weihnachts- und Neujahrsgottesdienste gegolten, doch dann hatte die Regierung verfügt, dass vom 3. bis 11. Januar die Liturgien nur mit Priestern, Psalmisten und Kirchendienern stattfinden dürften. Zudem sei auf die traditionelle Wasserweihe zu Epiphanie zu verzichten. Die Regierung begründete die verschärften Lockdown-Maßnahmen mit einem sicheren Schulstart am 11. Januar und warnte die Kirche vor „Rosinenpickerei“. Bei einem Treffen mit Erzbischof Hieronymos (Liapis) von Athen, dem Oberhaupt der Orthodoxen Kirche von Griechenland (GOK), verwies Ministerpräsident Mitsotakis auf die Verantwortung der Kirche, ihren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten. Die Kirche habe eine „Verpflichtung, ein gutes Beispiel zu geben, wie sie es bisher getan habe“. Hieronymos erwiderte, dass der Kirche an einer „guten Zusammenarbeit“ mit dem Staat gelegen sei, sie aber an ihrem Entscheid von öffentlichen Gottesdiensten festhalte. Lediglich bei der Wasserweihe kam die Kirchenleitung der Regierung entgegen: diese solle in den Kirchen und ohne Prozessionen stattfinden. Aufgrund des großen öffentlichen Einflusses der Kirche willigte die Regierung in diese Lösung ein. Allerdings kam es in Einzelfällen dennoch zu öffentlichen Wasserweihen außerhalb der Kirchgebäude.
Für ihren Entscheid, die Kirchen zu Epiphanie zu öffnen, erntete die GOK starke Kritik in den Medien. Es sei nicht hinnehmbar, dass Geschäfte, Restaurants und Kultureinrichtungen die angeordnete Schließung akzeptierten, die Kirche aber nicht. Die Hl. Synode verteidigte sich gegen die Kritik: Der Glaube sei keine individuelle Gegebenheit, sondern eine Beziehungsrealität, die sich vor allem in der Göttlichen Liturgie erfahren lasse.
Zudem nahm die Synode zur Impffrage Stellung, die ebenfalls eine innerkirchliche Debatte ausgelöst hat: Die Entscheidung zur Corona-Impfung sei „keine theologische oder kirchliche Frage“, sondern „primär eine medizinisch-wissenschaftliche Frage sowie eine freie persönliche Entscheidung jedes Einzelnen.“ Zuvor hatte Metropolit Seraphim (Stergiulis) von Kythera für Aufregung gesorgt. In einer Predigt hatte er die Gläubigen davor gewarnt, sich impfen zu lassen mit der Begründung, das Vakzin sei aus Zellen abgetriebener Föten zusammengemixt worden. Dies habe er von Bekannten in Italien gehört. Der Impfstoff würde aus dem „Prozess des Abschlachtens von Embryonen“ gewonnen. Wegen dieser Predigt hat die Staatsanwaltschaft von Piräus Ermittlungen aufgenommen. Unter anderem behauptete der Bischof auch, eine Medizin gegen das Virus bestünde im Empfang der Heiligen Kommunion selbst.
Davon ist auch Priester Konstantinos Kadanis aus Agrinio überzeugt, der am 6. Januar ein Video veröffentlichte, in dem er den Löffel zeigte, mit dem er Hunderten von Gläubigen die Kommunion ausgeteilt habe, darunter einer mit Corona infizierten Familie. Niemand habe sich angesteckt, auch er nicht, so Kadanis. Dies beweise, dass bei der Heiligen Kommunion das Virus nicht weitergegeben werden könne, denn sie sei Christus. Gegen solche Thesen hatte Metropolit Anthimos (Koukouridis) von Alexandroupolis bereits Ende November einen Brandbrief veröffentlicht, in dem er warnte: „Frommer Egoismus tötet.“ Er verurteilte diejenigen, die in „kriminellen Predigten“ die Bürgerinnen und Bürger zum Ignorieren der geltenden Corona-Maßnahmen aufriefen. Er stellte sich klar hinter die Entscheidungen der Regierung, auch mit Blick auf Kirchenschließungen. Leider zeige „unser Volk immer noch (vielleicht aus Erschöpfung) eine mangelnde Verantwortung bei diesem Thema“.
Auch beim Thema Impfen stellten sich einige hochrangige Geistliche der GOK hinter die Regierung: Erzbischof Hieronymus sagte, er würde sich selber impfen lassen, hätten ihm die Ärzte nach seiner Covid-19-Erkrankung nicht davon abgeraten. Metropolit Pavlos (Papalexiou) von Kozani bezeichnete den Impfstoff gar als „ein Gottesgeschenk“ und nannte Impfverweigerer „fanatische Zeloten“. Auch wollen Hieronymus und weitere Geistliche ihre Gotteshäuser zeitweilig als Test- oder Impfzentren zur Verfügung stellen.
Auf Zypern verläuft die Diskussion ähnlich: Während Erzbischof Chrysostomos (Dimitriou) sich bereits Ende Dezember medienwirksam impfen ließ, und auch von den Mitgliedern der Hl. Synode Impfbereitschaft signalisiert wurde, verbreiten andere krude Verschwörungstheorien. So verkündete Metropolit Neophytos (Masouras) von Morphou kategorisch, er werde sich nicht impfen lassen: „Ich werde kein genmanipuliertes Produkt der neuen Weltordnung.“
Elena Panagiotidis