OWEP 2/2021: Die Schöpfung im Klimawandel – Herausforderung für das 21. Jahrhundert
Der Klimawandel ist in aller Munde, wer wird das leugnen? Umstritten ist allenfalls, ob es sich dabei um ein natürliches oder ein von Menschen gemachtes Phänomen handelt. Die Zahl der Veröffentlichungen zu diesem Thema ist unübersehbar, und auch aktuell wird über das Thema trotz der Corona-Pandemie und deren Folgen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft kontrovers diskutiert.
Wenn sich die Zeitschrift OST-WEST. Europäische Perspektiven diesem weiten Themenfeld annähert, kann sie natürlich nur ausgewählte Aspekte streifen. Wichtig ist der Umgang der Kirche mit Fragen von Klimawandel und Umweltschutz, der auf den ersten Blick gar nicht so selbstverständlich ist, wie man angesichts von Bildern annehmen könnte, die etwa Papst Franziskus und die Klima-Aktivistin Greta Thunberg gemeinsam zeigen. Die Umweltbewegung galt für viele Kirchenvertreter lange pauschal als „links“ und „säkular“. Ihr wurde vorgeworfen, den Menschen gegenüber der Natur zu vernachlässigen – und umgekehrt wurde der Kirche und dem Christentum insgesamt lange der (nicht ganz unberechtigte) Vorwurf gemacht, sie stünden auf Seiten der „Bremser“ in Sachen Umweltpolitik, vor allem in dem Sinne, dass der biblische Auftrag des Schöpfungsberichts, „sich die Erde untertan zu machen“, wörtlich verstanden wurde. Es ist wichtig, solche Pauschalisierungen zu hinterfragen, weshalb das Heft mit zwei Beiträgen aus kirchlicher Sicht einsetzt. Roman Globokar, katholischer Theologe und Professor für Moraltheologie an der Universität Ljubljana, bietet in seinem Beitrag „Umweltschutz – ein Thema für die Theologie?“ einen Überblick zur angedeuteten Problematik und leitet über zur „Umweltenzyklika“ Laudato si` von Papst Franziskus, die als Kerndokument für ein neues Verständnis von Umweltfragen in der katholischen Kirche gelten darf. Der nachfolgende Text von Erzpriester Heorhi Kowalenko, Rektor der Offenen Orthodoxen Universität zur Heiligen Weisheit in Kiew, entfaltet das Thema aus orthodoxer Perspektive. Hier hat der verantwortungsvolle Umgang mit der Natur eine längere Tradition, die auch in liturgischen Elementen wie z. B. der Wasserweihe deutlich wird.
Von der Ebene der Theologie in die Ebene der Praxis und zum Thema „Atomkraft – pro und contra“: Dieser abrupte Übergang führt die Leserinnen und Leser in den beiden folgenden Texten zu einem Kernproblem des 21. Jahrhunderts, der Frage nach umweltverträglicher Energieerzeugung in einer Welt, deren Energiebedarf sich in den kommenden Jahrzehnten vervielfachen wird. Die am Herder-Institut in Marburg tätige Technik- und Osteuropahistorikerin Dr. Anna Veronika Wendland legt in ihrem Beitrag anhand von Zahlen und Fakten über die negativen Folgen der Nutzung fossiler Energien für das Klima und des niedrigen Energiegewinns aus erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenkraft dar, warum sie trotz bekannter Risiken die Atomkraft für eine Klimaschutztechnologie hält. Die Gegenposition vertritt die ukrainische Klimaaktivistin Iryna Holovko: Atomkraft ist eine falsche Technologie, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen – seit den Katastrophen von Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) ist es ihrer Ansicht nach klar, dass die Risiken den Nutzen übersteigen; außerdem ist Atomkraft als Technik zu langsam und letztlich auch zu teuer.
Angesichts der globalen Dimension des Klimawandels und seiner Folgen ist es nicht verwunderlich, wenn die Thematik auch immer mehr weltweit die Gerichte befasst, etwa wenn Bauern in Südamerika große Konzerne verklagen, weil deren Aktivitäten Ackerland oder Wälder vernichten. Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt in Berlin und Honorarprofessor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, ist einer der bekanntesten deutschen Prozessanwälte im Umweltrecht und erläutert in seinem Beitrag das juristische und mediale Phänomen „Klimaklagen“ anhand einiger Beispiele.
Auch die Europäische Union hat sich dem Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels verpflichtet. Einen Meilenstein bildet der am 11. Dezember 2019 vorgestellte „Green Deal“, ein breit angelegtes Programm, das der Politologe Dr. Kai-Olaf Lang, Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, ausführlich vorstellt. Ein Drittel der EU-Ausgaben geht in den Klimaschutz – das zeigt die gewaltigen Dimensionen des bis zum Jahr 2050 ausgerichteten Großprojekts. Der Beitrag befasst sich besonders mit den Herausforderungen des Programms für die Staaten Mittel- und Osteuropas, speziell vorgestellt wird jeweils die Situation in Polen, Estland und Bulgarien.
Die folgenden vier Texte des Heftes widmen sich der Umweltsituation und den damit verbundenen politischen und gesellschaftlichen Aspekten in drei Ländern und einer größeren Region. Zunächst zeichnet Andrzej Ceglarz, polnischer Umweltaktivist und Doktorand an der TU München, die Entwicklung und aktuelle Lage in Polen nach. Daniel Diaconu, rumänischer Umweltaktivist, stellt einen Brennpunkt der Umweltarbeit in seiner Heimat vor. Einen Überblick über die Klima-Agenda in Russland bietet die russische Journalistin Angelina Dawydowa. Die Journalistin Silvia Stöber (Spezialgebiet: Südkaukasus) schildert aktuelle Umweltprobleme und deren Folgen in Armenien, Georgien und Aserbaidschan.
Abgeschlossen wird das Heft mit einem Interview, das die OWEP-Chefredakteurin Gemma Pörzgen mit dem in Armenien und Georgien als Berater tätigen Ingenieur Georg Ehrler geführt hat. Darin geht es um ein von Renovabis gefördertes Projekt zur Verbesserung der Wasserversorgung in abgelegenen Regionen Armeniens. Es folgen einige Literaturtipps (Bücher und Webseiten).
Neben einer Reihe von thematischen Abbildungen enthält das Heft auch drei Karikaturen, die das Thema „Klimawandel“ in zeichnerischer Form thematisieren.
Ein kurzer Blick auf Heft 3/2021, das im August erscheinen wird: Unter dem Titel „Corona und die Folgen: Soziale Verwerfungen in Mittel- und Osteuropa“ wird das Heft Beiträge bieten, die die Situation in einzelnen Ländern wie Albanien, Polen und Ungarn darstellen, außerdem werden – neben weiteren Aspekten – die Folgen für die kirchliche Arbeit angesprochen.
Das ausführliche Inhaltsverzeichnis und ein Beitrag im Volltext finden sich unter www.owep.de. Das Heft kann für € 6,50 (zzgl. Versandkosten) unter www.owep.de bestellt werden.