Eine isolierte Kirche: Die Makedonische Orthodoxe Kirche
09. Mai 2019
Stefan Kube
Die reservierte Einstellung der Bulgarischen Orthodoxen Kirche gegenüber dem Besuch von Papst Franziskus in dem südosteuropäischen Land hat weithin Beachtung gefunden. Dagegen ging fast unter, dass es in Nordmakedonien, der zweiten Station von Franziskus dreitägiger Balkanreise, noch nicht einmal zu einem offiziellen Treffen zwischen Franziskus und kirchlichen Vertretern des mehrheitlich orthodox geprägten Landes gekommen ist. In diesem Fall liegt die Zurückhaltung allerdings nicht auf orthodoxer, sondern auf katholischer Seite begründet: Die Makedonische Orthodoxe Kirche (MOK), der praktisch alle orthodoxen Gläubigen im Land angehören, ist innerhalb der Weltorthodoxie nicht anerkannt. Aus ökumenischer Rücksichtnahme hat der Vatikan daher auf ein offizielles Treffen mit Vertretern der MOK verzichtet, während sich letztere durchaus eine Begegnung gewünscht haben dürften, um die internationale Isolation ihrer Kirche zu durchbrechen.
Entstehungsgeschichte der Kirche
Die MOK hat sich 1967 von der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) losgesagt und in einem einseitigen Schritt für unabhängig (autokephal) erklärt. Kirchlich gehörte das Gebiet des heutigen Nordmakedonien seit 1913 zur SOK. Nach dem Zweiten Weltkrieg war in der neu geschaffenen jugoslawischen Teilrepublik Makedonien jedoch eine kirchliche Unabhängigkeitsbewegung entstanden, die im Zuge des makedonischen „nation building“ auch von den jugoslawischen Behörden unterstützt wurde. Nach langen Auseinandersetzungen setzte die SOK 1959 die Bestimmung der serbischen Kirchenverfassung für die makedonischen Eparchien außer Kraft und gewährte diesen die Autonomie. Der Kompromiss hielt allerdings nicht lange, weil er von den beiden Seiten völlig unterschiedlich interpretiert wurde: Während die Kirchenleitung in Belgrad lediglich von einer Verwaltungsautonomie nach innen ausging, sah sich die makedonische Kirche als „eigene Kirche“, die nur über die Person des Patriarchen als gemeinsames Oberhaupt mit der SOK verbunden sei. Als sich die MOK im Juli 1967 für autokephal erklärte, erkannte die Kirchenleitung der SOK diesen Schritt nicht an und brach die Gemeinschaft mit den Bischöfen der MOK ab.
Im Jahr 2002 sah es kurzfristig so aus, als ob die SOK und die MOK zu einer Einigung gelangen könnten. Im südserbischen Niš unterzeichneten Bischöfe beider Kirchen ein Abkommen zur Beilegung der Kirchenspaltung, doch wurde dieses von den Geistlichen und Gläubigen der MOK mehrheitlich abgelehnt, so dass schließlich auch die makedonische Bischofsversammlung ihre Zustimmung verweigerte. Eine neue Dimension erreichte der kirchliche Konflikt, als Metropolit Jovan (Vraniškovski) von Veles und Povardarski sich anschließend der SOK unterstellte und von dieser zum Erzbischof von Ohrid und Metropoliten von Skopje ernannt wurde. Seitdem gibt es zwei orthodoxe Kirchenorganisationen im Land: auf der einen Seite die MOK und auf der anderen Seite die Orthodoxe Erzdiözese Ohrid, die ein Teil der SOK ist. Die makedonischen Behörden weigern sich allerdings bis heute, letztere als religiöse Organisation im Land zu registrieren. Zudem behindern sie immer wieder die Einreise von hochrangigen Vertretern der SOK nach Nordmakedonien.
Innerorthodoxe Isolation
Bis heute ist die MOK auch von keiner anderen kanonischen orthodoxen Kirche anerkannt worden. Von Seiten anderer orthodoxer Kirchen gab es zwar immer wieder Vermittlungsbemühungen, doch hat beispielsweise die Orthodoxe Kirche von Griechenland mehrfach signalisiert, die MOK nur unter der Bezeichnung „Erzdiözese von Ohrid“ anzuerkennen. Im Hintergrund steht hierbei der jahrzehntelange griechisch-makedonische Namensstreit um den Landesnamen der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik. Auch die nun gefundene Lösung, dass das Land den Namen Nordmakedonien trägt, dürfte an der Situation nicht viel ändern, zählten doch kirchliche Kreise in Griechenland zu den erbittertsten Gegnern des Prespa-Abkommens, das den Namensstreit beendete.
Hilfesuchend hat sich die MOK in den letzten Jahren an die Bulgarische Orthodoxe Kirche gewandt, die im November 2017 zusicherte, als „Mutterkirche“ der MOK zu fungieren, um dieser zu helfen, ihre Isolation in der Gesamtorthodoxie zu überwinden. Unterstützung erhielten die Kirchen von bulgarischen Politikern, die auf die enge sprachliche Verwandtschaft zwischen Bulgaren und Makedonen hinwiesen.
Konkrete Ergebnisse zeitigte dieser Schritt jedoch nicht. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios kritisierte vielmehr das Handeln der Bulgarischen Orthodoxen Kirche und betonte die kanonische Zuständigkeit von Konstantinopel als Mutterkirche aller Balkanvölker. Spekulationen, dass das Ökumenische Patriarchat ähnlich wie in der Ukraine der MOK demnächst die Autokephalie gewähren könnte, erteilte Bartholomaios jedoch jüngst in einem längeren Interview mit der serbischen Tageszeitung Politika eine klare Absage: Das Ökumenische Patriarchat habe nicht die Absicht, die Kirchenverfassung oder die Grenzen der SOK zu verändern, es sei denn im Einverständnis und in Zusammenarbeit mit der SOK.
Haltung der nicht-orthodoxen Kirchen
Auch die nicht-orthodoxen Kirchen reagieren aus ökumenischer Rücksichtnahme auf die SOK und die Gesamtorthodoxie eher zurückhaltend auf Kontaktversuche der MOK. Der Ökumenische Rat der Kirchen lehnte bereits 1967 ein Mitgliedgesuch der MOK ab. Mehrfach waren auch Delegationen der MOK in Rom, um zum Grab des Slawenapostels Kyrill zu pilgern und Kontakte zur katholischen Kirche aufzubauen. Der Vatikan war dabei jedoch stets darum bemüht, jeglichen Eindruck einer offiziellen Anerkennung der MOK zu vermeiden. Dies ist auch der Grund, warum es kein vergleichbares offizielles Treffen von Papst Franziskus mit Vertreten der MOK in Skopje gab wie zuvor mit Patriarch Neofit und dem Hl. Synod der Bulgarischen Orthodoxen Kirche in Sofia.
Stefan Kube, Chefredakteur der Zeitschrift "Religion & Gesellschaft in Ost und West" Bild: In der Sophienkirche in Ohrid, im 11. Jahrhundert erbaut, wurde 1967 die Autokephalie der Makedonischen Orthodoxen Kirche proklamiert. (Marcin Konsek / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0)
Die reservierte Einstellung der Bulgarischen Orthodoxen Kirche gegenüber dem Besuch von Papst Franziskus in dem südosteuropäischen Land hat weithin Beachtung gefunden. Dagegen ging fast unter, dass es in Nordmakedonien, der zweiten Station von Franziskus dreitägiger Balkanreise, noch nicht einmal zu einem offiziellen Treffen zwischen Franziskus und kirchlichen Vertretern des mehrheitlich orthodox geprägten Landes gekommen ist. In diesem Fall liegt die Zurückhaltung allerdings nicht auf orthodoxer, sondern auf katholischer Seite begründet: Die Makedonische Orthodoxe Kirche (MOK), der praktisch alle orthodoxen Gläubigen im Land angehören, ist innerhalb der Weltorthodoxie nicht anerkannt. Aus ökumenischer Rücksichtnahme hat der Vatikan daher auf ein offizielles Treffen mit Vertretern der MOK verzichtet, während sich letztere durchaus eine Begegnung gewünscht haben dürften, um die internationale Isolation ihrer Kirche zu durchbrechen.
Entstehungsgeschichte der Kirche
Die MOK hat sich 1967 von der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) losgesagt und in einem einseitigen Schritt für unabhängig (autokephal) erklärt. Kirchlich gehörte das Gebiet des heutigen Nordmakedonien seit 1913 zur SOK. Nach dem Zweiten Weltkrieg war in der neu geschaffenen jugoslawischen Teilrepublik Makedonien jedoch eine kirchliche Unabhängigkeitsbewegung entstanden, die im Zuge des makedonischen „nation building“ auch von den jugoslawischen Behörden unterstützt wurde. Nach langen Auseinandersetzungen setzte die SOK 1959 die Bestimmung der serbischen Kirchenverfassung für die makedonischen Eparchien außer Kraft und gewährte diesen die Autonomie. Der Kompromiss hielt allerdings nicht lange, weil er von den beiden Seiten völlig unterschiedlich interpretiert wurde: Während die Kirchenleitung in Belgrad lediglich von einer Verwaltungsautonomie nach innen ausging, sah sich die makedonische Kirche als „eigene Kirche“, die nur über die Person des Patriarchen als gemeinsames Oberhaupt mit der SOK verbunden sei. Als sich die MOK im Juli 1967 für autokephal erklärte, erkannte die Kirchenleitung der SOK diesen Schritt nicht an und brach die Gemeinschaft mit den Bischöfen der MOK ab.
Im Jahr 2002 sah es kurzfristig so aus, als ob die SOK und die MOK zu einer Einigung gelangen könnten. Im südserbischen Niš unterzeichneten Bischöfe beider Kirchen ein Abkommen zur Beilegung der Kirchenspaltung, doch wurde dieses von den Geistlichen und Gläubigen der MOK mehrheitlich abgelehnt, so dass schließlich auch die makedonische Bischofsversammlung ihre Zustimmung verweigerte. Eine neue Dimension erreichte der kirchliche Konflikt, als Metropolit Jovan (Vraniškovski) von Veles und Povardarski sich anschließend der SOK unterstellte und von dieser zum Erzbischof von Ohrid und Metropoliten von Skopje ernannt wurde. Seitdem gibt es zwei orthodoxe Kirchenorganisationen im Land: auf der einen Seite die MOK und auf der anderen Seite die Orthodoxe Erzdiözese Ohrid, die ein Teil der SOK ist. Die makedonischen Behörden weigern sich allerdings bis heute, letztere als religiöse Organisation im Land zu registrieren. Zudem behindern sie immer wieder die Einreise von hochrangigen Vertretern der SOK nach Nordmakedonien.
Innerorthodoxe Isolation
Bis heute ist die MOK auch von keiner anderen kanonischen orthodoxen Kirche anerkannt worden. Von Seiten anderer orthodoxer Kirchen gab es zwar immer wieder Vermittlungsbemühungen, doch hat beispielsweise die Orthodoxe Kirche von Griechenland mehrfach signalisiert, die MOK nur unter der Bezeichnung „Erzdiözese von Ohrid“ anzuerkennen. Im Hintergrund steht hierbei der jahrzehntelange griechisch-makedonische Namensstreit um den Landesnamen der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik. Auch die nun gefundene Lösung, dass das Land den Namen Nordmakedonien trägt, dürfte an der Situation nicht viel ändern, zählten doch kirchliche Kreise in Griechenland zu den erbittertsten Gegnern des Prespa-Abkommens, das den Namensstreit beendete.
Hilfesuchend hat sich die MOK in den letzten Jahren an die Bulgarische Orthodoxe Kirche gewandt, die im November 2017 zusicherte, als „Mutterkirche“ der MOK zu fungieren, um dieser zu helfen, ihre Isolation in der Gesamtorthodoxie zu überwinden. Unterstützung erhielten die Kirchen von bulgarischen Politikern, die auf die enge sprachliche Verwandtschaft zwischen Bulgaren und Makedonen hinwiesen.
Konkrete Ergebnisse zeitigte dieser Schritt jedoch nicht. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios kritisierte vielmehr das Handeln der Bulgarischen Orthodoxen Kirche und betonte die kanonische Zuständigkeit von Konstantinopel als Mutterkirche aller Balkanvölker. Spekulationen, dass das Ökumenische Patriarchat ähnlich wie in der Ukraine der MOK demnächst die Autokephalie gewähren könnte, erteilte Bartholomaios jedoch jüngst in einem längeren Interview mit der serbischen Tageszeitung Politika eine klare Absage: Das Ökumenische Patriarchat habe nicht die Absicht, die Kirchenverfassung oder die Grenzen der SOK zu verändern, es sei denn im Einverständnis und in Zusammenarbeit mit der SOK.
Haltung der nicht-orthodoxen Kirchen
Auch die nicht-orthodoxen Kirchen reagieren aus ökumenischer Rücksichtnahme auf die SOK und die Gesamtorthodoxie eher zurückhaltend auf Kontaktversuche der MOK. Der Ökumenische Rat der Kirchen lehnte bereits 1967 ein Mitgliedgesuch der MOK ab. Mehrfach waren auch Delegationen der MOK in Rom, um zum Grab des Slawenapostels Kyrill zu pilgern und Kontakte zur katholischen Kirche aufzubauen. Der Vatikan war dabei jedoch stets darum bemüht, jeglichen Eindruck einer offiziellen Anerkennung der MOK zu vermeiden. Dies ist auch der Grund, warum es kein vergleichbares offizielles Treffen von Papst Franziskus mit Vertreten der MOK in Skopje gab wie zuvor mit Patriarch Neofit und dem Hl. Synod der Bulgarischen Orthodoxen Kirche in Sofia.
Stefan Kube, Chefredakteur der Zeitschrift "Religion & Gesellschaft in Ost und West" Bild: In der Sophienkirche in Ohrid, im 11. Jahrhundert erbaut, wurde 1967 die Autokephalie der Makedonischen Orthodoxen Kirche proklamiert. (Marcin Konsek / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0)