Georgios Vlantis zur Anerkennung der Orthodoxen Kirche der Ukraine durch Athen
Die Orthodoxe Kirche Griechenlands ist jetzt tatsächlich in voller Gemeinschaft mit der autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU). Die Kommemorierung des Oberhaupts der neuen Kirche, Metropolit Epifanij, bei der Konzelebration des Ökumenischen Patriarchen mit dem Erzbischof von Athen in Thessaloniki war der erste liturgische Ausdruck der Herstellung dieser Gemeinschaft. Hieronymos II. hat an der Liturgie in Thessaloniki nicht lediglich als Leiter der Erzdiözese von Athen, sondern als Oberhaupt der Kirche Griechenlands und daher als Zentrum ihrer Einheit teilgenommen. Nach der Verleihung der Autokephalie vermied er es für viele Monate, mit Patriarch Bartholomaios zu konzelebrieren, vermutlich auch weil in der vom Ökumenischen Patriarchen gefeierten Liturgie immer der Primas der Kirche der Ukraine kommemoriert wird. Unmittelbar nach den Synodalbeschlüssen seiner Kirche hat es Hieronymos aber getan. Am 21. Oktober hat der Erzbischof von Athen sein Friedensschreiben an Metropolit Epifanij verabschiedet – seine Antwort auf dessen Schreiben nach der Wahl zum Oberhaupt der OKU am 15. Dezember 2018. Im Friedensschreiben kündigt Hieronymos die Aufnahme der vollen Kirchengemeinschaft mit der neuen Kirche an. Mit der Konzelebration mit dem Ökumenischen Patriarchen und dem Friedensschreiben hat der Erzbischof von Athen Gebrauch von seinem kanonischen Privileg gemacht, als Oberhaupt einer autokephalen Kirche den Namen des neuen Oberhaupts in die Diptychen seiner Kirche einzutragen und dadurch Gemeinschaft mit ihr herzustellen. Dieses Privileg haben die Synodalbeschlüsse der Ständigen Synode (28. August 2019) und der ganzen Hierarchie der Kirche Griechenlands (12. Oktober 2019) bestätigt. Dies ist keine neue, sondern tradierte kanonische Praxis der Oberhäupter der autokephalen Kirchen nach der Verleihung einer neuen Autokephalie vom Ökumenischen Patriarchat.
In den letzten Wochen und Monaten haben sich mehrere griechische Bischofsversammlungen mit dem Thema Ukraine beschäftigt. Warum ist es den Bischöfen so schwergefallen, zu einem einheitlichen Standpunkt zu gelangen?
Ich würde zwei Gründe benennen. Erstens: Der Hauptgrund für die Verzögerung waren die großen Spannungen, die in den letzten Jahren die Beziehungen zwischen dem Ökumenischen Patriarchat und der Kirche Griechenlands belastet haben, die allerdings nichts mit der ukrainischen Frage zu tun hatten. Es ging um bilaterale Streitigkeiten, die auch die persönlichen Beziehungen der beiden kirchlichen Oberhäupter negativ beeinflusst haben: Jurisdiktionsstreiten, das Nicht-Miteinbeziehen des Ökumenischen Patriarchats bei der ersten Phase der Verhandlungen zwischen der Kirche Griechenlands und der Syriza-Regierung über die Besoldung der Priester, usw. Es war bezeichnend, dass im Oktober 2018, also vor der Verleihung der ukrainischen Autokephalie, der Erzbischof den sich in Athen befindenden Ökumenischen Patriarchen nicht treffen wollte. Der Versöhnungsprozess hat gedauert. Ich meine aber, dass schon im April 2019 mehr oder weniger klar war, dass sich die Kirche Griechenlands positiv zur Ukraine-Frage äußern würde, als Erzbischof Hieronymos den Patriarchen von Konstantinopel nach Athen eingeladen hat.
Von Anfang an bestand kein Zweifel daran, dass die Kirche Griechenlands an der Seite des Ökumenischen Patriarchats stehen würde. Die prominentesten Bischöfe und Theologen des Landes haben in unzähligen Beiträgen die kanonischen Rechte der Kirche von Konstantinopel verteidigt. Dagegen gibt es nur eine kleine ultrakonservative Minderheit, die in den letzten Jahren systematisch alle Entscheidungen des Ökumenischen Patriarchats in Frage gestellt hat (z. B. Teilnahme am ökumenischen und interreligiösen Dialog, Heiliges und Großes Konzil, ukrainische Autokephalie); Grund dieses Unbehagens ist die für diese Leute unverzeihliche ökumenische Offenheit von Konstantinopel. Erzbischof Hieronymos, der besonderen Wert auf die Synodalität legt, wollte, dass auch diese Meinungen gehört werden, und er hat sich daher für einen längeren, aber doch transparenten und sauberen Weg entschieden. Synodalausschüsse haben ein Gutachten erstellt, das die Anerkennung der OKU empfiehlt. Und sowohl die Ständige Synode als auch die Synode der ganzen Hierarchie der Kirche Griechenlands haben sich mit überwiegender Mehrheit für die neue Kirche entschieden.
Zweitens hat der massive Druck der Gegner der neuen Kirche auf alle autokephalen Kirchen eine Rolle gespielt. Darüber haben mehrere Bischöfe der Kirche Griechenlands bei der letzten Bischofsversammlung sehr deutlich gesprochen. Man fürchtete den Abbruch der eucharistischen Gemeinschaft der Kirche Russlands mit den Kirchen, die die Autokephalie der Ukraine akzeptieren würden, und die Entstehung paralleler russischer Strukturen in ihrem Jurisdiktionsbereich sowie den Bruch der finanziellen Beziehungen Moskaus mit diesen Kirchen, die u. a. vom russischen Pilgertourismus profitierten. Gleichzeitig hoffte man doch noch auf eine schnelle Lösung zwischen Konstantinopel und Moskau oder auf panorthodoxer Ebene, ohne dass sich die übrigen Kirchen einzeln positionieren müssen. Einige hatten die Sorge, dass eine deutliche Positionierung zu einer Frontenbildung führen könnte, die ein Schisma innerhalb der Orthodoxie beschleunigen würde. Es wurde aber deutlich, dass auch eine Nicht-Positionierung eine – und sogar eine kontraproduktive – Positionierung ist, die den Eindruck entstehen lässt, dass sich die orthodoxen Kirchen aus Angst und nicht in Freiheit verhalten. Niemand lässt sich gerne unter Druck setzen. Die maßlose Aggression der Gegner der ukrainischen Autokephalie gegen das Ökumenische Patriarchat hat Konstantinopel und Athen noch näher zu einander geführt.
Wie verhalten sich nun die kircheninternen Kritiker einer Anerkennung der Orthodoxen Kirche der Ukraine? Tragen sie den Entscheid von Erzbischof Hieronymos mit?
Der Widerstand gegen die Anerkennung der OKU in Griechenland ist viel geringer, als einige Medien und auch starke Propaganda-Mechanismen behaupten. Immer wieder werden die inflationären und aggressiven Aussagen einer kleinen Minderheit von Hierarchen und Klerikern überbetont, die systematisch gegen das Ökumenische Patriarchat polemisiert. Diese Minderheit war gegen das Heilige und Große Konzil, ist fanatisch gegen die Ökumene, und einige ihrer Vertreter schockieren die griechische Gesellschaft immer wieder mit ihren antisemitischen Aussagen. In ihrer Argumentation verwenden sie antikatholische, antiwestliche, antiamerikanische usw. Verschwörungstheorien, um gegen die Kirche der Ukraine zu kämpfen. Jede extreme Äußerung verurteile ich scharf; die Tatsache aber, dass sich auch Gegner der ukrainischen Autokephalie öffentlich und angstfrei äußern können, ist an sich jedoch ein Gewinn für die Kirche Griechenlands. Ohne etwas beschönigen zu wollen, ist in den letzten Monaten klar geworden, dass die griechisch-sprachigen Kirchen viel mehr Demokratie verkraften und auch davon profitieren, als andere, die wie monolithische Blöcke scheinen. Man kann in den griechisch-sprachigen Kirchen unterschiedliche Meinungen hören, und das ist einfach normal. Hinter der antiukrainischen Einstimmigkeit anderer Kirchen verbirgt sich häufig wenig Respekt gegenüber anderen innerkirchlichen Ansichten und viel Angst. Auch in diesen Kirchen gibt es proukrainische Meinungen, aber man traut sich nicht, diese zu äußern, weil dies mit unangenehmen Konsequenzen verbunden sein könnte. Es gibt schon bedauerliche Beispiele dazu.
Die synodal gestärkte Entscheidung des Erzbischofs von Athen ist jedoch für die ganze Kirche Griechenlands verbindlich. Nach dem Beschluss der Kirche im Oktober haben nur noch zwei Bischöfe lautstark dagegen opponiert, und dies sicherlich nicht mehr lange. Auch wenn sich einzelne Bischöfe weigern sollten, ukrainische Gläubige aufzunehmen, werden sie weiterhin eine Synode und ein Oberhaupt kommemorieren, die in voller Gemeinschaft mit den angeblichen Schismatikern stehen. Und es könnte sein, dass die Synode der Kirche Griechenlands Maßnahmen gegen Hierarchen trifft, die Probleme verursachen sollten. Die Entstehung eines Flickenteppichs in Griechenland, was die Haltung zur ukrainischen Autokephalie betrifft, wird nicht gestattet, dies wäre nicht im Interesse der Kirche. In den letzten Jahren konnte man immer wieder beobachten: Es gibt einige, die sehr laut sein können, gleichzeitig sind sie aber zynisch genug, um auf ihren sehr feinen Überlebensinstinkt nicht zu verzichten. Sie werden wegen der Ukraine-Krise kein Schisma riskieren. So große Idealisten sind die griechischen Gegner von Konstantinopel nicht, als dass sie Gefahr laufen, ihre von Kirche und Staat bestimmten Privilegien aufgrund dieses Konflikts zu verlieren.
Georgios Vlantis, M. Th. ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Bayern und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Theologischen Akademie von Volos.