Griechenland: Andauernde Diskussionen um die ukrainische Autokephalie
An ihrer der Ukraine-Frage gewidmeten außerordentlichen Vollversammlung am 12. Oktober haben die griechischen Bischöfe den Entscheid der Ständigen Hl. Synode vom August bestätigt. Damit anerkennen sie das Recht des Ökumenischen Patriarchats zur Verleihung der Autokephalie sowie das Privileg des Vorstehers der Kirche von Griechenland, die Anerkennungsfrage in Bezug auf die Ukraine weiter zu behandeln. Erzbischof Hieronymos (Liapis) von Athen erinnerte in seinem Bericht an das Gutachten von zwei Kommissionen – für dogmatische und kirchenrechtliche Fragen sowie für interorthodoxe und zwischenchristliche Fragen – zum Thema, das im August eingereicht worden war. Darin kamen die Kommissionen zum Schluss, dass es aus kirchenrechtlicher Sicht „keine Hindernisse“ für die „Anerkennung der Autokephalie der Orthodoxen Kirche der Ukraine und die völlige Harmonisierung und Koordination zwischen der Kirche von Griechenland und dem Ökumenischen Patriarchat“ gebe.
In seinem Bericht unterstützte das Oberhaupt der Griechischen Orthodoxen Kirche (GOK) die Sicht, dass die Ukraine immer zum „kanonischen Territorium“ des Ökumenischen Patriarchats gehört habe. Die Autokephalie der im Dezember 2018 gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) betrachtet Hieronymos zudem als „überaus nützlich“ für die Orthodoxie. Diese werde auch „wertvoll“ für die „Stärkung der Beziehungen zwischen den beiden autokephalen Schwesterkirchen von Großrussland und der Ukraine“ sein. Zum Schluss schlug er laut Kommuniqué der Bischofsversammlung vor, die Autokephalie der OKU anzuerkennen. Sieben griechische Metropoliten sprachen sich jedoch für eine Vertagung der Entscheidung aus. In der GOK gibt es zahlreiche Gegner der Autokephalie für die OKU, die in letzter Zeit ausdrücklich vor deren Anerkennung gewarnt haben.
Das Kommuniqué wurde zunächst als Anerkennung der Autokephalie durch die GOK interpretiert, bald kamen jedoch Zweifel auf. So widersprachen zwei Metropoliten dieser Auffassung und erklärten, über den Vorschlag von Erzbischof Hieronymos sei gar nicht abgestimmt worden, es sei lediglich die Entscheidung der Hl. Synode bestätigt worden. Zudem lehnten wesentlich mehr als die erwähnten sieben Metropoliten die Autokephalie der OKU ab, in der Diskussion hätten sie lediglich nicht die Aussagen anderer Hierarchen wiederholen wollen. Auch ein weiteres Statement der GOK brachte keine Klarheit.
Am 19. Oktober, eine Woche nach der Bischofsversammlung, konzelebrierten Erzbischof Hieronymos und der Ökumenische Patriarch Bartholomaios in Thessaloniki. Dabei wurde bei den Fürbitten das Oberhaupt der OKU, Metropolit Epifanij (Dumenko), genannt, was als Anerkennung der OKU seitens der GOK gewertet wurde. Die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) bezweifelte dies jedoch, denn Bartholomaios kommemoriere Epifanij – im Gegensatz zu Hieronymos – immer. Erst wenn Hieronymos bei einer Liturgie als Hauptzelebrant Epifanij nenne, sei dies als Anerkennung der OKU zu verstehen.
Am 17. Oktober hatte der Hl. Synod der ROK an einer Sitzung den Moskauer Patriarchen Kirill ermächtigt, Erzbischof Hieronymos in der Liturgie nicht mehr zu kommemorieren, sollte dieser das „Oberhaupt einer der ukrainischen schismatischen Gruppen“ zu nennen beginnen oder andere Handlungen vollziehen, die eine Anerkennung belegen. Die Gemeinschaft mit den griechischen Bischöfen und Priestern, die sich gegen eine Anerkennung der OKU ausgesprochen haben oder dies noch tun werden, soll jedoch aufrechterhalten werden. Patriarch Kirill warnte an der Sitzung des Hl. Synods, dass eine „negative Entwicklung des Themas die orthodoxe Einheit zerstören kann“. Tags darauf sagte er bei einem Vortrag, die ROK sei aufgefordert, ihre „unabhängige Linie“ zur „Bewahrung der Einheit“ der Orthodoxie zu behalten und ihre „geistliche Unabhängigkeit von allen Zentren weltlichen Einflusses“ zu erhalten. Dies sei aber nicht so einfach, daher rufe die ROK das „ganze Volk auf, mit unserer Kirche zu sein“. Unterstützung erhielt die ROK einmal mehr von der Serbischen Orthodoxen Kirche. Bischof Irinej (Bulović) von Bačka warf der GOK vor, einen Schritt zu einem „noch tieferen und gefährlicheren Schisma“ der Orthodoxie gemacht zu haben.
Metropolit Epifanij, das Oberhaupt der OKU, dankte Hieronymos und den griechischen Bischöfen nach der Bischofsversammlung umgehend auf Facebook und hofft, bald nach Athen zu reisen. Patriarch Bartholomaios dankte Hieronymos telefonisch sowie beim gemeinsamen Gottesdienst in Thessaloniki. Erfreut zeigte sich auch der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko, der den Autokephalie-Prozess angestoßen hatte. (NÖK)
Ukrainian Autocephaly and Responsibility toward the Faithful
Das Komitee für inter-orthodoxe und inter-christliche Beziehungen der Hl. Synode der Griechischen Orthodoxen Kirche hat sich in den letzten Monaten mit der Ukraine-Frage beschäftigt und an der Bischofsversammlung vom 12. Oktober seine Ergebnisse präsentiert; hier ein Auszug.
Weiterlesen
Proposal for dealing with the Ukrainian issue
Metropolit Hierotheos (Vlachos) von Navpaktos schlägt ein mögliches Vorgehen in der Ukraine-Frage vor, nachdem er sich bereits 2008 und 2014 und in den letzten beiden Jahren mehrfach zum Thema geäußert hat.
Weiterlesen
Filaret’s Final Act and the Future of the Orthodox Church of Ukraine
Der ehemalige Kiewer Patriarch und Ehrenpatriarch der OKU, Filaret (Denisenko), versucht seine Position in der OKU auszubauen. Nicholas Denysenko erläutert die aktuelle Lage und schildert mögliche Entwicklungen.
Weiterlesen
Tornike Metreveli zu Wahlen und Religion in der Ukraine
Tornike Metreveli spricht über die Rolle der Religion im ukrainischen Präsidentschaftswahlkampf und darüber, was sich mit der Gründung der Orthodoxen Kirche der Ukraine für die Gläubigen und Priester an der Basis verändert hat.
Kirche in Kiew: Lokales Handeln und globaler Glauben
Über die Autokephalie der Orthodoxen Kirche der Ukraine werden hitzige Debatten geführt. Konstantin Sigov ruft in Erinnerung, dass aus theologischer Sicht alle orthodoxen Kirchen den einen Leib Christi bilden. Diese Einheit ist tiefer als alle ethnischen, politischen oder linguistischen Unterschiede.
Weiterlesen
Orthodoxie in der Ukraine: Panorama und Entwicklungstendenzen
Anlässlich des Vereinigungskonzils vom 15. Dezember, an dem das Oberhaupt der neuen autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine gewählt wurde, blickt Bohdan Ohultschanskyj auf die Spaltungen und Bemühungen um Autokephalie in der Ukraine seit den 1990er Jahren zurück.
Weiterlesen
After the Council: Challenges Facing the Orthodox Church of Ukraine
Am 15. Dezember hat ein Vereinigungskonzil in der Ukraine das Oberhaupt der neuen autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine gewählt. Nicholas Denysenko identifiziert drei zentrale Herausforderungen, vor denen die neue Kirche nun steht.
Weiterlesen
Die Autokephaliefrage der Ukrainischen Orthodoxen Kirche: Plädoyer für einen sozialethischen Ansatz
In der Debatte um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche wird oft kanonisch oder historisch argumentiert, dabei bleibe die konkrete Situation der Betroffenen auf der Strecke, erklärt Cezar Marksteiner-Ungureanu; deshalb plädiert er für einen sozialethischen Ansatz.
Weiterlesen
Assaad Elias Kattan über die Folgen des Bruchs zwischen Moskau und Konstantinopel
Der Bruch zwischen Moskau und Konstantinopel wird zahlreiche Auswirkungen haben, beispielsweise auf die Zusammenarbeit in orthodoxen Institutionen in der Diaspora, erklärt Assaad Elias Kattan. Zugleich bezweifelt er, dass andere orthodoxe Kirchen Moskau folgen werden.
Weiterlesen
The Case for Constantinople
John Chryssavgis, griechisch-orthodoxer Priester in Amerika und theologischer Berater des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios in Umweltfragen, nimmt zu den Spannungen zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel in der Ukraine-Frage Stellung.
Weiterlesen
Kann die Geschichte den Konflikt um die ukrainische Autokephalie lösen?
In den Debatten um eine mögliche Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche wird immer wieder historisch argumentiert. Thomas Bremer und Sophia Senyk untersuchen diese Argumentation und ihr Potential, zur Konfliktlösung beizutragen.
Weiterlesen
Sergii Bortnyk zur Situation der ukrainischen Orthodoxie
Die Entsendung zweier Exarchen in die Ukraine durch das Ökumenische Patriarchat hat die Spannungen um eine mögliche Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche zusätzlich befeuert. Zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine nimmt Sergii Bortnyk Stellung.
Weiterlesen
Unabhängige Kirche in der Ukraine: Friendensgarant oder Kriegstreiber?
Der Streit um eine autokephale Kirche in der Ukraine eskaliert zusehends. Regina Elsner analysiert im ZOiS Spotlight anhand der vier friedensethischen Leitkategorien – Recht, Gerechtigkeit, Gewalt und Herrschaft – Risiken und Chancen der Entwicklung.
Weiterlesen
Die russische Kirche verliert die Ukraine
Sergej Chapnin interpretiert das Treffen der Patriarchen von Moskau und Konstantinopel vom 31. August 2018, bei dem es um die Frage der Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche ging, und vermutetet einen unerfreulichen Ausgang für die Russische Orthodoxe Kirche.
Weiterlesen
Liliya Berezhnaya zur Frage der Autokephalie in der Ukraine
Die jüngsten Bemühungen um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche haben zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Liliya Berezhnaya erläutert die Rollen und Absichten der Beteiligten und setzt die Autonomiebestrebungen in einen historischen Kontext.
Weiterlesen
The Promise of Autocephaly in Ukraine: What’s at Stake?
Im April 2018 hat Präsident Petro Poroschenko, unterstützt vom Parlament, den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios offiziell um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche gebeten. Nicholas Denysenko analysiert, was für die verschiedenen Akteure auf dem Spiel steht.
Weiterlesen