Sebastian Rimestad zur aktuellen Situation des Pariser Exarchats
06. März 2019
Im November hat das Ökumenische Patriarchat beschlossen, das Pariser Exarchat aufzulösen. Eine Außerordentliche Generalversammlung des Erzbistums hat nun beschlossen, das Erzbistum als „geeinte kirchliche Entität“ zu bewahren. Was bedeutet das für die Zukunft?
Das Exarchat war sowohl Moskau als auch Konstantinopel schon lange ein Dorn im Auge. Für Moskau war es ein Teil der ‚eigenen‘ Kirche, der einem fremden Patriarchat untergeordnet war. Für Konstantinopel war es eine extraterritoriale Struktur, die den griechischen Metropolien in Westeuropa Konkurrenz machte. Die Auflösung ist ein Versuch, sich dieses Problems zu entledigen und die Rechnung geht scheinbar auf – einige Gemeinden des Exarchats haben sich schon umorientiert. Die übrigen Gemeinden haben längst nicht mehr das Gewicht in der westeuropäischen Orthodoxie, das sie einmal hatten. Die Mitgliederversammlung vom 23. Februar hat ja nicht beschlossen, was jetzt passieren soll, sondern lediglich dass die Auflösungsentscheidung des Patriarchen so nicht angenommen wird. In praktischer Hinsicht hat dieser Schritt somit noch keinen direkten Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Orthodoxie in Westeuropa. Der Schaden ist eher ein Image-Schaden, denn das Exarchat ist eine lautstarke Einheit, die langfristig die westliche Orthodoxie beeinflussen kann. Die Entscheidung über die Zukunft des Exarchats, die in einer weiteren Versammlung im Juni fallen soll, wird die Weichen für die Zukunft stellen. Wohin sich das Exarchat dann auch hin orientiert, es wäre ein Image-Gewinn für die neue Heimat. Ob das Exarchat langfristig als eigene Struktur bestehen kann, bleibt abzuwarten.
Welches Selbstverständnis prägt die Gemeinden des Pariser Exarchats?
Die Gemeinden des Pariser Exarchats sehen sich ganz in der Tradition des Moskauer Konzils von 1917–1918. Dieses Konzil, das als unabgeschlossen gilt, da es aufgrund des Drucks der Bolschewiki vorzeitig abgebrochen werden musste, sah eine paritätische Kirchenadministration vor, wo Laien, Kleriker und Mönche nahezu gleichberechtigt die Geschicke der Gemeinden, Bistümer und Gesamtkirche mitbestimmen sollten. Dadurch entwickelte sich in den russischen Exilgemeinden eine Kultur der Gemeindeautonomie, die durch ihre Diasporasituation noch verstärkt wurde. Durch die fast ein Jahrhundert existierende Exilkirche sehen sich viele Mitglieder des Exarchats nicht mehr primär als russische, sondern als westeuropäische Orthodoxe. Das Exarchat pflegte lange das Selbstverständnis als Keim einer selbständigen Orthodoxen Kirche von Westeuropa, was durch die plötzlichen Auflösungsversuche natürlich einen Knick bekommen hat.
Ist das Pariser Exarchat ein Opfer der Auseinandersetzungen zwischen Moskau und Konstantinopel um die Ukraine?
Die Entscheidung Konstantinopels kann ganz klar im Rahmen der andauernden Ukraine-Krise gesehen werden. Es gibt zwei mögliche Erklärungsansätze, weshalb Patriarch Bartholomaios gerade jetzt die Auflösung beschlossen hat. Einerseits könnte er die Gemeinden des Exarchats als Gegenleistung für die Anerkennung der neuen Kirche in der Ukraine dem Moskauer Patriarchat anbieten wollen. Andererseits hat das Exarchat als extraterritoriale Struktur kirchenrechtlich keinen Platz innerhalb des Ökumenischen Patriarchats. Mit der Durchsetzung der territorialen Linie auch in der Ukraine wollte Bartholomaios ein Zeichen setzen und die Exarchats-Anomalie auflösen. Diese möglichen Beweggründe bleiben Spekulation und es kann durchaus sein, dass die Entscheidung unabhängig von den Entwicklungen in Ukraine getroffen wurde.
Möglicherweise hat Metropolit Emmanuel (Adamakis) von Frankreich, den das Exarchat stört, einfach seinen Druck erhöht. Für die griechischen Metropoliten ist die Situation klar – endlich können sie die teilweise attraktiven Gemeinden und ihre Kathedralen übernehmen und somit den Monopol-Anspruch auf die ‚echte‘ westeuropäische Orthodoxie ausbauen.
Sebastian Rimestad, Dr., Habilitand am Lehrstuhl für Kulturgeschichte des Orthodoxen Christentums, Universität Erfurt.
Bild: Alexander-Nevski-Kathedrale in Paris, Sitz des Exarchats (© Mbzt, CC BY 3.0)
Das Exarchat war sowohl Moskau als auch Konstantinopel schon lange ein Dorn im Auge. Für Moskau war es ein Teil der ‚eigenen‘ Kirche, der einem fremden Patriarchat untergeordnet war. Für Konstantinopel war es eine extraterritoriale Struktur, die den griechischen Metropolien in Westeuropa Konkurrenz machte. Die Auflösung ist ein Versuch, sich dieses Problems zu entledigen und die Rechnung geht scheinbar auf – einige Gemeinden des Exarchats haben sich schon umorientiert. Die übrigen Gemeinden haben längst nicht mehr das Gewicht in der westeuropäischen Orthodoxie, das sie einmal hatten. Die Mitgliederversammlung vom 23. Februar hat ja nicht beschlossen, was jetzt passieren soll, sondern lediglich dass die Auflösungsentscheidung des Patriarchen so nicht angenommen wird. In praktischer Hinsicht hat dieser Schritt somit noch keinen direkten Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Orthodoxie in Westeuropa. Der Schaden ist eher ein Image-Schaden, denn das Exarchat ist eine lautstarke Einheit, die langfristig die westliche Orthodoxie beeinflussen kann. Die Entscheidung über die Zukunft des Exarchats, die in einer weiteren Versammlung im Juni fallen soll, wird die Weichen für die Zukunft stellen. Wohin sich das Exarchat dann auch hin orientiert, es wäre ein Image-Gewinn für die neue Heimat. Ob das Exarchat langfristig als eigene Struktur bestehen kann, bleibt abzuwarten.
Welches Selbstverständnis prägt die Gemeinden des Pariser Exarchats?
Die Gemeinden des Pariser Exarchats sehen sich ganz in der Tradition des Moskauer Konzils von 1917–1918. Dieses Konzil, das als unabgeschlossen gilt, da es aufgrund des Drucks der Bolschewiki vorzeitig abgebrochen werden musste, sah eine paritätische Kirchenadministration vor, wo Laien, Kleriker und Mönche nahezu gleichberechtigt die Geschicke der Gemeinden, Bistümer und Gesamtkirche mitbestimmen sollten. Dadurch entwickelte sich in den russischen Exilgemeinden eine Kultur der Gemeindeautonomie, die durch ihre Diasporasituation noch verstärkt wurde. Durch die fast ein Jahrhundert existierende Exilkirche sehen sich viele Mitglieder des Exarchats nicht mehr primär als russische, sondern als westeuropäische Orthodoxe. Das Exarchat pflegte lange das Selbstverständnis als Keim einer selbständigen Orthodoxen Kirche von Westeuropa, was durch die plötzlichen Auflösungsversuche natürlich einen Knick bekommen hat.
Ist das Pariser Exarchat ein Opfer der Auseinandersetzungen zwischen Moskau und Konstantinopel um die Ukraine?
Die Entscheidung Konstantinopels kann ganz klar im Rahmen der andauernden Ukraine-Krise gesehen werden. Es gibt zwei mögliche Erklärungsansätze, weshalb Patriarch Bartholomaios gerade jetzt die Auflösung beschlossen hat. Einerseits könnte er die Gemeinden des Exarchats als Gegenleistung für die Anerkennung der neuen Kirche in der Ukraine dem Moskauer Patriarchat anbieten wollen. Andererseits hat das Exarchat als extraterritoriale Struktur kirchenrechtlich keinen Platz innerhalb des Ökumenischen Patriarchats. Mit der Durchsetzung der territorialen Linie auch in der Ukraine wollte Bartholomaios ein Zeichen setzen und die Exarchats-Anomalie auflösen. Diese möglichen Beweggründe bleiben Spekulation und es kann durchaus sein, dass die Entscheidung unabhängig von den Entwicklungen in Ukraine getroffen wurde.
Möglicherweise hat Metropolit Emmanuel (Adamakis) von Frankreich, den das Exarchat stört, einfach seinen Druck erhöht. Für die griechischen Metropoliten ist die Situation klar – endlich können sie die teilweise attraktiven Gemeinden und ihre Kathedralen übernehmen und somit den Monopol-Anspruch auf die ‚echte‘ westeuropäische Orthodoxie ausbauen.
Sebastian Rimestad, Dr., Habilitand am Lehrstuhl für Kulturgeschichte des Orthodoxen Christentums, Universität Erfurt.
Bild: Alexander-Nevski-Kathedrale in Paris, Sitz des Exarchats (© Mbzt, CC BY 3.0)