Armenien: Kirche gegen Anerkennung Berg-Karabachs als Teil Aserbaidschans
Die Armenische Apostolische Kirche hat die Aussagen des armenischen Premierministers Nikol Paschinjan zu Friedensverhandlungen mit Aserbaidschan und zur Zukunft Berg-Karabachs scharf kritisiert. Paschinjan hatte am 22. Mai an einer Pressekonferenz erstmals explizit seine Bereitschaft geäußert, Berg-Karabach als Teil Aserbaidschans anzuerkennen. Armenien akzeptiere die „territoriale Integrität Aserbaidschans von 86‘600 km², angenommen dass Aserbaidschan die territoriale Integrität Armeniens von 29‘800 km² anerkennt“, sagte er und fügte hinzu, dass zur genannten Fläche des aserbaidschanischen Territoriums auch das von Armeniern bewohnte Berg-Karabach gehöre.
Am 23. Mai veröffentlichte der Oberste Geistliche Rat der Kirche nach seiner Sitzung ein Statement, in dem er „die einseitigen Konzessionen, ‚gerechtfertigt‘ mit dem Vorwand des Friedens“ verurteilte. Mit diesem kurzfristigen Schritt setzte die armenische Regierung „unsere Brüder und Schwestern in Berg-Karabach unweigerlich einem neuen Genozid und Verlust des Vaterlands“ aus. Die – international nicht anerkannte – Unabhängigkeit Berg-Karabachs und das Territorium Armeniens seien nicht verhandelbar, heißt es in dem Statement weiter. Außerdem stehe es einer „einzelnen politischen Gruppe“ nicht zu, Entscheidungen über die Heimat zu treffen. Der Rat forderte die Machthabenden auf, ihre „defätistische Mentalität“ und „destruktiven Schritte“ aufzugeben, um würdige Lösungen zu finden. Er rief das Volk und die staatlichen Institutionen auf, die Situation „nüchtern zu beurteilen“ und in der „Verfolgung unserer Nationalinteressen standhaft und einig zu bleiben“. In der Frage sei eine klare Äußerung des Volkswillens nötig.
Premierminister Paschinjan sprach in der Pressekonferenz ebenfalls die Sicherheit der armenischen Bevölkerung in Berg-Karabach an. Er forderte direkte Verhandlungen zwischen Berg-Karabach und Aserbaidschan, begleitet von „internationalen Garantien“, um die „Rechte und Sicherheit“ der Bevölkerung sicherzustellen. Sonst werde Aserbaidschan seine „Politik der ethnischen Säuberung und des Genozids gegen die Armenier Berg-Karabachs mit Gewalt fortsetzen“, warnte er. Die laufenden Friedensgespräche, die im Mai in den USA, Brüssel und Moskau stattfanden und in Chişinău weitergehen sollen, bezeichnete er als „intensiv“ und hoffte, so bald wie möglich ein Abkommen zu unterzeichnen.
Die Pressekonferenz löste in Armenien und Berg-Karabach heftige Reaktionen aus. Armenische Oppositionsparteien und frühere Präsidenten kritisierten den armenischen Regierungschef. Politiker in Berg-Karabach verurteilten die Aussagen ebenfalls und lehnten jedes Friedenabkommen, das Berg-Karabach Aserbaidschan zuschlagen würde, als illegal ab. Dem armenischen Premierminister sprachen sie die Zuständigkeit für solche Entscheide über das souveräne Berg-Karabach ab.
An der Pressekonferenz schloss Paschinjan zudem nicht aus, dass Armenien die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) verlässt. Armenien ist zunehmend enttäuscht über das Versagen des von Russland geführten Verteidigungsbündnisses beim Schutz der Bevölkerung in Berg-Karabach und vor allem in Bezug auf die Blockade des Latschin-Korridors. Dieser ist die einzige Verbindungsstraße zwischen Armenien und Berg-Karabach und wird seit Dezember 2022 von Aserbaidschan blockiert, was die sowieso schon kritische humanitäre Lage in Berg-Karabach noch einmal verschlimmert hat. (NÖK)
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