Armenien: Bischöfe warnen vor humanitärer Katastrophe in Berg-Karabach
Die Bischöfe der Armenischen Apostolischen Kirche haben in einem Statement auf die „katastrophale extreme Situation“ in Berg-Karabach aufgrund der Blockade des Latschin-Korridors hingewiesen und diese als „Ausdruck von Genozid“ bezeichnet. Der Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und anderen lebensnotwendigen Gütern schädige die Gesundheit der Bevölkerung und sei für Todesfälle verantwortlich. Die „terroristischen Handlungen“ der aserbaidschanischen Behörden zielten darauf, bei den Bewohner:innen Berg-Karabachs „ständige Angst, Hoffnungslosigkeit, Gefühle der Unsicherheit und das Gefühl, die Heimat verlassen zu müssen,“ auszulösen, um die Region ethnisch zu säubern.
Aserbaidschan blockiert seit Dezember 2022 den sog. Latschin-Korridor, die einzige Verbindungsstraße zwischen Armenien und dem mehrheitlich von Armeniern bewohnten Berg-Karabach. Das Waffenstillstandsabkommen, das den zweiten Karabach-Krieg 2020 beendete, sieht vor, dass russische Friedenstruppen den schmalen Landstreifen kontrollieren. Im Windschatten des Ukraine-Kriegs errichtete Aserbaidschan jedoch einen Checkpoint und lässt kaum noch Personen und inzwischen auch keine Transporte zur Versorgung der ca. 120‘000 verbliebenen Bewohner Berg-Karabachs passieren. Neben Lebensmitteln und Medikamenten fehlt es auch an Treibstoff, außerdem ist die Strom- und Gasversorgung aus Armenien unterbrochen. Die Wasserversorgung und Telekommunikationsinfrastruktur sind ebenfalls betroffen.
Die Verhaftung eines Einwohners von Berg-Karabach am Checkpoint Ende Juli, der aus medizinischen Gründen vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz evakuiert wurde, bezeichneten die Bischöfe als „offene Herausforderung an die ganze zivilisierte Welt und die zuständigen internationalen Organisationen“. Dem Mann werden von Aserbaidschan Kriegsverbrechen im ersten Karabach-Krieg 1991–1994 vorgeworfen. Die Bischöfe riefen die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats auf, „effektive Maßnahmen“ zu ergreifen. Zudem zeigten sie sich über die Position der armenischen Behörden besorgt, da der armenische Premierminister Nikol Paschinjan sich im Mai 2023 erstmals bereit erklärt hatte, Berg-Karabach als Teil Aserbaidschans zu akzeptieren, sollte die Sicherheit der dortigen Bevölkerung gewährleistet sein. Sie forderten die Regierung auf, weiterhin das Recht auf Selbstbestimmung der Bevölkerung von Berg-Karabach zu schützen und sich für ihr sicheres und souveränes Leben einzusetzen. Berg-Karabach und seine armenische Bevölkerung „haben kein Leben und keine Zukunft innerhalb Aserbaidschans, das Genozid zu seiner Staatspolitik erklärt hat“, heißt es im Statement.
Am 15. August berichteten die Behörden in Berg-Karabach von einem Todesfall, der offenbar auf die anhaltende Mangelernährung zurückzuführen ist. Die Situation in Berg-Karabach hat sich seit Mitte Juni verschärft, da Aserbaidschan auch keine humanitäre Hilfe mehr durch den Korridor lässt. Diese war zuvor vom Roten Kreuz und russischen Friedenstruppen geliefert worden. Am 16. August diskutierte der UN-Sicherheitsrat die Situation und forderte die sofortige Wiederöffnung des Korridors. Zudem wurden Armenien und Aserbaidschan aufgerufen, humanitäre Hilfe nicht zu politisieren und ihre Beziehungen für ein künftiges Friedensabkommen zu normalisieren. In der Debatte forderten die Vertreter:innen mehrerer Staaten beide Parteien auf, sich an das Waffenstillstandsabkommen von 2020 zu halten. (NÖK)
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