Estland: Metropolit Evgenij weiht vor Ausreise neuen Bischof
Archimandrit Daniil (Lepisk) ist am 4. Februar zum Bischof von Tartu und Vikarbischof von Tallinn geweiht worden. Es war die erste Bischofsweihe der Estnischen Orthodoxen Kirche – Moskauer Patriarcht (EOK–MP) in Estland seit 34 Jahren, weshalb die Kirche von einem „historischen Ereignis“ sprach. Geleitet wurde der Gottesdienst in der Alexander-Nevskij-Kathedrale in Tallinn vom Oberhaupt der EOK–MP, Metropolit Evgenij (Reschetnikov) von Tallinn. Konzelebranten waren die die Bischöfe Lazar (Gurkin) von Narva und Vikarbischof Sergij (Telich) von Maardu sowie Metropolit Innokentij (Vasiljev) von Vilnius, das Oberhaupt der Litauischen Eparchie des Moskauer Patriarchats, und sein Vikar Bischof Amvrosij (Fedukovitsch) von Trakai.
Die formelle Nominierung Daniils fand am 3. Februar statt, entsprechend seiner Wahl durch den Hl. Synod der EOK–MP am 29. Januar. Der Hl. Synod der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) bestätigte die Wahl am 3. Februar. Die Wahl des neuen Bischofs steht im Zusammenhang mit der Ausreise von Metropolit Evgenij, dessen temporäre Aufenthaltsbewilligung als russischer Staatsbürger von den estnischen Behörden nicht verlängert wurde. Der neu gewählte Bischof Daniil ist dagegen ethnischer Este mit einer vollen Staatsbürgerschaft. Die anderen Bischöfe sind wie Evgenij Ausländer: Lazar kam 2009 aus der russischen Republik Mordwinien, Sergij stammt aus Donezk, auch ihre Aufenthaltsbewilligung könnte widerrufen werden. Sollte Metropolit Evgenij die EOK–MP entgegen seiner Absicht nicht aus dem Ausland weiterführen können, würde die Leitung bis zur Wahl eines neuen Oberhaupts vorübergehend an einen Vikarbischof übergehen.
Als der EOK–MP 2018 die Selbstverwaltung gewährt wurde, standen die heutigen drei Bischöfe für deren Leitung zur Auswahl. Dass ein von Moskau vorgeschlagener Kandidat von außerhalb Estlands – wie damals Evgenij – an der Wahl teilnimmt, sei aktuell kaum denkbar, meint die Journalistin Ksenia Luchenko. Bischof Daniil sei nun ein dritter Anwärter. Damit stünden seine Chancen auf die Leitung der EOK–MP ziemlich gut, denn Sergij gelte als sanft und unentschlossen, während die Geistlichen Lazar wegen seiner Härte fürchteten.
Das estnische Polizei- und Grenzschutzdepartement informierte Metropolit Evgenij offiziell am 5. Februar, dass eine Verlängerung seiner temporären Aufenthaltsbewilligung abgelehnt worden sei. Somit musste Evgenij am 6. Februar Estland verlassen, da an diesem Tag seine Aufenthaltsbewilligung auslief. Die Behörde begründete den Entscheid mit Evgenijs Äußerungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine, weswegen sie ihn als Bedrohung für die nationale Sicherheit einstufte. Vor seiner Abreise wandte sich Evgenij auf der Website der EOK–MP an die Gläubigen und rief sie auf, „versöhnlich zu bleiben, Gott für alles zu danken und die spirituelle Freude nicht zu verlieren“. Als Christ solle man immer alles, was einem passiere, mit Versöhnlichkeit annehmen. Dank der Bischofsweihe von Daniil sei Dankbarkeit auch angemessen. Außerdem seien im letzten halben Jahr zwei Diakone geweiht worden, Jugend-, Kultur- und Bildungsveranstaltungen würden durchgeführt. Er hoffe, dass das kirchliche Leben in Estland unverändert weitergehen wird. In Estland blieben zwei Vikarbischöfe, die mit seinem Segen die Vollmacht des Kirchenoberhaupts ausüben könnten, schrieb er weiter. Außerdem bleibe er „in Kontakt“ und werde seine Sorge um die ihm anvertraute Kirche aus der Ferne fortsetzen.
Am 30. Januar hatte in Tallinn eine außerordentliche Sitzung des Konzils der EOK–MP stattgefunden. Das Konzil ist das höchste Leitungsorgan der EOK–MP und besteht aus den Bischöfen, allen Geistlichen und Laienvertretern aus allen Gemeinden. Das Konzil verabschiedete ein Dokument, in dem es die Entscheidung der Behörden kategorisch ablehnte. Während seines Dienstes habe sich Evgenij als „eifriger Prediger des Evangeliums“ gezeigt und habe deshalb bei den multinationalen Gläubigen der EOK–MP „volle Unterstützung und volles Verständnis gefunden“. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs leiste die Kirche vielfältige Hilfe. Die Vorwürfe gegen Evgenij bezeichnete das Konzil als „unbegründet“, der Metropolit habe sich immer verantwortungsvoll verhalten, was die Spaltung seiner Gläubigen, die Menschen mit sehr unterschiedlichen Ansichten seien, verhindert habe. Seine Ausreise könnte eine „schwere Prüfung“ für die Kirche werden, deshalb bat das Konzil um eine Revision der Entscheidung über seine Aufenthaltsbewilligung. Am 29. Januar hatte sich auch der Hl. Synod der EOK–MP beim estnischen Innenministerium für eine Verlängerung von Evgenijs Aufenthaltsbewilligung eingesetzt.
Auch drei Geistliche der Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche setzten sich für Metropolit Evgenij ein. Enn Auksmann, Illimar Toomet und Veiko Vihuri bezeichneten in einem offenen Brief an Innenminister Lauri Läänemets die Anschuldigungen gegenüber Evgenij als „willkürlich und politisch motiviert“. Es gebe keine gesetzliche Grundlage, um Kirchenleitern vorzuschreiben, welche politischen und gesellschaftlichen Ansichten sie äußern oder nicht äußern dürften. In Estland gebe es keine Staatskirche, der Staat müsse sich allen Religionsgemeinschaften gegenüber neutral verhalten. Der Versuch, die Überzeugungen eines Religionsvertreters zu kontrollieren, verstoße gegen die Verfassung und die Menschenrechte, außerdem dürfe niemand ohne Gerichtsurteil als schuldig betrachtet werden. Indem er einer Kirche vorschreibe, was für einen Leiter sie haben dürfe, mische sich der Innenminister in die inneren Angelegenheiten der Kirche ein, heißt es in dem Brief weiter. Ein solches Verhalten sei „für autoritäre Regime charakteristisch“. (NÖK)
Die Aufenthaltsbewilligung von Metropolit Evgenij (Reschetnikov), dem Oberhaupt der Estnischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, wurde wegen seiner Aussagen zum russischen Krieg gegen die Ukraine nicht verlängert. Priit Rohtmets schildert die Hintergründe und Reaktionen.
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