Tschechien: Kardinal Duka kritisiert EU
Mit kritischen Worten zur Lage der Europäischen Union hat sich der tschechische Kardinal Dominik Duka zu Wort gemeldet. Ausgerechnet die EU-Institutionen seien mit ihrer derzeitigen Politik „der größte Feind der europäischen Integration“, beklagt der Prager Erzbischof in einem aktuellen Kommentar auf seiner privaten Website. Europa könne nur dann eine erfolgreiche Zukunft haben, wenn die Ideen der Gründerväter der modernen europäischen Einigung wie Robert Schuman (1886–1963) oder Alcide De Gasperi (1881–1954) wieder stärker beherzigt werden. Duka verweist etwa auf den geltenden EU-Grundlagenvertrag von Lissabon. Dieser enthalte keinen Verweis auf die jüdisch-christlichen Wurzeln Europas und gebe damit zu erkennen, „dass er nicht denselben Geist wie das Europa der Gründerväter atmet“.
Staatsmänner wie den damaligen französischen Außenminister Schuman habe der Zweite Weltkrieg hervorgebracht, „der von Kräften entfesselt worden war, die sich gänzlich gegen die christlichen Wurzeln Europas stellten“, führt der Prager Kardinal aus. Ihr Handeln und die damalige Gründung der Montanunion zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit sei „nötig gewesen, dem zugrunde gerichteten Europa zur Installierung des Friedens und des Geistes der Zusammenarbeit zu helfen“.
Die heutige, auf den 1993 in Kraft getretenen Vertrag von Maastricht zurückgehende EU bezeichnet der Kardinal hingegen als „ein neues Produkt“. Sie sei von Politikern errichtet worden, „in deren Reihen sich praktizierende Katholiken nur mehr in unbedeutender Minderheit befanden“. Zwar würden auch heute Politiker für die Entwicklung Europas Verantwortung übernehmen, die sich offen zum Christentum bekennen, „jedoch vielfach Kompromisse schließen, so dass die Ideale, auf denen der Europagedanke basierte, beiseitegeschoben werden“.
Weitere Integrationsschritte könnten nur Erfolg haben, wenn man sich der Ideen der europäischen Gründerväter besinne, so Duka. „Unangemessen und unwahrhaftig“ sei hingegen eine öffentliche Debatte, die eine Geißelung jener verlange, die die Union kritisieren.
Hintergrund der Aussagen ist ein Interview der von der katholischen Kirche in den tschechischen Rundfunkrat entsandten Ökonomin Hana Lipovská, das für anhaltenden Wirbel sorgt. Im Wirtschaftsblatt Hrot übte sie zuletzt scharfe Kritik an Brüssel und sprach sich u.a. für ein Referendum über einen "Czexit", also den EU-Austritt Tschechiens aus. Die EU-Mitgliedschaft bedeute für Tschechien „Rückständigkeit, Freiheitsverlust und Erniedrigung“, meinte Lipovská wörtlich. In der von Deutschland und Frankreich dominierten Union sitze ihr Heimatland bildhaft gesprochen „nicht im Beifahrersitz, sondern im Autoanhänger“.
Die Aussagen nötigen auch den Vorsitzenden der Tschechischen Bischofskonferenz, Jan Graubner, zu einer Klarstellung. Lipovská spreche in Sachen EU nicht für die Kirche, ihre Äußerungen hätten „rein persönlichen Charakter“. Für die Bischofskonferenz sei die europäische Zusammenarbeit sehr wichtig, betonte Graubner. Wenngleich die Bischöfe „eine Reihe von Dingen kritisch“ sähen, seien sie „der Ansicht, dass über die Zukunft der EU und ihre Reform eine solide Debatte geführt werden muss“.
Der Pilsener Bischof Tomáš Holub kritisierte in der Zeitung Denik N, Lipovská habe die „Werte eines gemeinsamen Voranschreitens und der Solidarität im Rahmen Europas mit Füßen getreten“. Holub hatte sich schon zuvor in einem Tweet von der Ökonomin distanziert, die in ihrem Hrot-Interview die Gründerväter der europäischen Einigung einer „elitären Haltung der Menschenverachtung“ bezichtigt hatte. Angesichts des Beispiels von Robert Schuman, für den in der katholischen Kirche auch ein Seligsprechungsverfahren läuft, sei dieser Vorwurf „völlig absurd“, so Holub, der früher auch Generalsekretär der Bischofskonferenz war.
Lipovská hatte in ihren Aussagen der EU auch vorgeworfen, sich unter dem Druck maroder Firmen „in Richtung Sozialismus“ zu bewegen. Schon die europäischen Gründerväter seien nie für einen freien Markt eingetreten und hätten „in ihrem elitären Dasein den Menschen verachtet“, meinte die Ökonomin. Nach der Bischofskritik fügte sie hinzu, sie habe dabei nicht an Schuman gedacht, sondern an den italienischen kommunistischen Politiker Altiero Spinelli (1907–1986), einen der Vordenker der europäischen Integration und des Föderalismus. (Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, www.kathpress.at)