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Montenegro: Metropolit Amfilohije von der Polizei festgehalten

16. April 2020

Am orthodoxen Palmsonntag hat die Polizei Metropolit Amfilohije (Radović) von Montenegro nach der Feier der Göttlichen Liturgie angehalten und zu einem Gespräch auf einen Polizeiposten gebracht. Der Metropolit hatte im Kloster von Zlatica, in einem Vorort der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica, den Gottesdienst mit wenigen Priestern und Kirchendienern gefeiert. Laien waren nicht anwesend, da auch in Montenegro ein Versammlungsverbot gilt. Auch in der Auferstehungskathedrale im Zentrum von Podgorica wurden mehrere Geistliche festgenommen, die dort hinter verschlossenen Türen die Liturgie zum Palmsonntag gefeiert hatten.

In Kirchenkreisen löste das Vorgehen der Polizei Unverständnis aus. Die Metropolie von Montenegro, die zur Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) gehört, habe sich an die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Epidemie gehalten, die Verhöre seien Schikane. So erklärte Mirčeta Šljivančanin, einer der Geistlichen, die am Gottesdienst in der Kathedrale teilgenommen hatten, die Gläubigen seien erst nach dem Gottesdienst entsprechend der Regeln einzeln in die Kathedrale gelassen worden, um individuell beten und Kerzen anzünden zu können. Vor der Kirche hätten sie mit ausreichendem Abstand zueinander gewartet, aber alle Erklärungen der Polizei gegenüber seien erfolglos gewesen. Dahinter stecke „böse Absicht und nicht Sorge um die Bewahrung der Gesundheit des Volks“, sagte Šljivančanin gegenüber Radio Svetigora. Es handle sich um eine weitere „Attacke“ auf die SOK.
Als „Schlag gegen die Kirche und den heiligen orthodoxen Glauben“ sieht auch Bischof Joanikije (Mićović) von Budimlje und Nikšić das Vorgehen der Polizei. Es „erniedrigt und verletzt uns alle“, aber es werde die Gläubigen nicht abhalten, ihren Glauben zu leben. Erzpriester Gojko Perović, der Rektor des Priesterseminars in Cetinje, bemängelte, dass die Prinzipien, nach denen die Polizei handle, unklar seien, wenn es denn überhaupt welche gebe. Auch er betonte, dass sich die Geistlichen an die staatlichen Vorgaben zur Pandemiebekämpfung hielten, außerdem hätten sich in den letzten Tagen vor Bäckereien, Märkten und Baustellen viel mehr Leute versammelt als vor Kirchen. Die Kirche suche seit dem Beginn der außerordentlichen Situation den Dialog, stattdessen werde ihr angesehenes Mitglied abgeführt.
Diese Kritik ist vor dem Hintergrund der Proteste der SOK gegen ein neues Religionsgesetz zu verstehen, das Ende 2019 in Montenegro verabschiedet wurde. Die SOK befürchtet die Verstaatlichung ihres Besitzes, während ihr staatliche Stellen und Medien eine antimontenegrinische Haltung vorwerfen. Perović erklärte daher, die Kirche nehme die medizinischen Empfehlungen „sehr ernst“. Aber es sei schwierig für sie, gleichzeitig „gegen den gefährlichen Virus und gegen die Unwahrheiten, die über die Kirche verbreitet werden, zu kämpfen und zugleich von hohen staatlichen Stellen unbegründete Drohungen, anstatt eines Aufrufs zu Dialog und Zusammenarbeit, zu hören.“
Die Polizei erklärte, Amfilohije und die Priester lediglich zu einem Gespräch mitgenommen zu haben, um Informationen über die Vorgänge zu erhalten. Bei Kontrollen zur Einhaltung der Corona-Maßnahmen habe die Polizei vor den beiden Kirchen eine „größere Anzahl Bürger und Geistliche“ angetroffen. Nach einigen Stunden wurden die Betroffenen wieder freigelassen.
Seit Anfang Jahr fanden aus Protest gegen das Religionsgesetz zwei Mal wöchentlich Kreuzprozessionen mit zahlreichen Teilnehmern statt. Aufgrund der Einschränkungen wegen der Pandemie beschloss die SOK, die Proteste auszusetzen. Stattdessen sind die Gläubigen aufgerufen, zuhause gemeinsam zur Verteidigung der Kirche zu beten. Jeden Sonntag überträgt Radio Svetigora zu diesem Zweck das Glockenläuten. So soll der Protest auch unter den Quarantäne-Bedingungen aufrechterhalten werden.
Insgesamt betont die SOK ihre Bereitschaft, sich an staatliche Einschränkungen zu halten. Am 28. März hatte ihr Hl. Synod erklärt, sich an die Vorgaben der serbischen Regierung gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu halten. In den Ländern der Diaspora, in denen früher Regelungen in Kraft getreten sind, habe die SOK diese ebenfalls umgesetzt. Am 13. April wandte sich der Hl. Synod an die serbische Regierung und bat, die Einschränkungen für den Morgen des Ostersonntags (19. April), von fünf bis zehn Uhr, zu lockern. Dann könnten die Gläubigen, die sich nicht in Quarantäne oder Selbstisolation befinden, an den Morgenandachten und Liturgien teilnehmen. Im gleichen Statement drückte der Hl. Synod seine Solidarität gegenüber Metropolit Amfilohije aus. (NÖK)

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