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Montenegro: Bischof wegen Verstoß gegen Coronavirus-Maßnahmen verhaftet

14. Mai 2020

Bischof Joanikije (Mićović) von Budimlje und Nikšić und sieben weitere Geistliche aus Nikšić sind am 12. Mai verhaftet worden. Ihnen wird vorgeworfen, gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Epidemie, darunter das Versammlungsverbot, verstoßen zu haben. Nach Verhören im Zentrum für Sicherheit in Nikšić wurde entschieden, sie für 72 Stunden festzuhalten. Eine Beschwerde von Anwälten gegen die Haft wurde abgelehnt.

Grund für die Verhaftung waren eine Prozession und ein Gottesdienst in Nikšić, wobei die Metropolie von Montenegro betonte, die Prozession sei nicht geplant gewesen. An der jährlichen Prozession zu Ehren des Hl. Basilius von Ostrog am 12. Mai nehmen jeweils zahlreiche Gläubige teil. Dieses Mal hätten sich die Gläubigen, ohne dazu aufgerufen worden zu sein, vor der Kathedrale von Nikšić versammelt, und die Geistlichen hätten die Prozession spontan durchgeführt. Dabei wurden kaum Masken getragen oder Sicherheitsabstände eingehalten. Den Geistlichen drohen bis zu 12 Jahre Haft. Bei der ersten von den Behörden erlaubten religiösen Versammlung am 12. Mai im Kloster Ostrog trugen die Gläubigen zwar Masken, aber die Priester spendeten die Kommunion aus einem einzigen Löffel.
In einem Statement verurteilte der Bischofstrat der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) in Montenegro das Vorgehen der Polizei und forderte die sofortige Freilassung von Joanikije und den Priestern. Auch er betonte, dass die Prozession spontan zustande gekommen sei, und es die Pflicht der Geistlichen gewesen sei, sich um die zahlreich anwesenden Gläubigen zu kümmern. Es sei ein „würdiger, friedlicher und geistlicher Akt“ gewesen, ohne irgendetwas Weltliches oder Politisches. Den Behörden und der Polizei werfen die Bischöfe die „Verfolgung“ der Kirche vor. Zudem betonen sie, die Kirche habe nichts gegen die Coronavirus-Maßnahmen, sondern gegen ihre „selektive Anwendung“, was ein „Akt der Diskriminierung“ gegen die SOK und ihre Gläubigen sei.
Der Hl. Synod der SOK, zu der die Mehrheit der Geistlichen und Gläubigen in Montenegro gehört, verurteilte in einem Statement die Ereignisse ebenfalls „aufs Schärfste“. Er ruft die montenegrinischen Behörden auf, mit der „Verfolgung der Kirche aufzuhören“ und sich entsprechend „zivilisatorischen Normen zu benehmen“. Zudem hofft er, dass das „serbische Volk, wie bisher, ruhig auftreten wird und nicht auf die Provokationen der Behörden reagieren wird“. Ihre Sorge drückten zudem der serbische Präsident Aleksandar Vučić und der serbische Patriarch Irinej in einem gemeinsamen Statement aus. Sie ordneten die Verhaftungen im Kontext des umstrittenen neuen Religionsgesetzes in Montenegro ein, das zu breiten Protesten geführt hatte. Sie sehen die Verhaftungen als „Beweis, dass die SOK von den montenegrinischen Behörden verfolgt wird.“
Am 13. Mai kam es in Nikšić und Pljevlja zu Protesten gegen die Verhaftungen. In Pljevlja setzte die Polizei Tränengas ein, als die Demonstranten sich nicht zerstreuen wollten und Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper auf die Beamten warfen. Auch die Versammlung in Nikšić wurde mit Tränengas aufgelöst, mehrere Demonstranten wurden verhaftet.
Ende April wurde Metropolit Amfilohije (Radović), das Oberhaupt der SOK in Montenegro, festgenommen und verhört, weil er eine Beerdigung geleitet hatte. Dagegen wehrte er sich entschieden in einem Statement. Als Bischof und als Individuum protestiere er dagegen, dass ein Begräbnis „von den staatlichen Behörden auf diese Weise missbraucht, verfolgt und entweiht wird“. Er habe kein Recht, seine „bischöfliche und menschliche Pflicht“ nicht auszuführen, ungeachtet der „Interpretationen der Öffentlichkeit“. Bereits am orthodoxen Palmsonntag war Amfilohije verhört worden, nachdem er ohne Gläubige, lediglich mit einigen Geistlichen im Kloster von Zlatica Gottesdienst gefeiert hatte. Am gleichen Tag wurden auch mehrere Geistliche festgenommen, die in der Kathedrale von Podgorica hinter verschlossenen Türen die Liturgie gefeiert hatten. (NÖK)

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