Die Belarusische Orthodoxe Kirche und der Krieg gegen die Ukraine
Die Leitung der Belarusischen Orthodoxen Kirche (BOK) hat sich seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ziemlich zurückhaltend verhalten. Sie folgt damit dem flexiblen Kurs, den auch das belarusische Regime eingeschlagen hat. Unter den Geistlichen und Gläubigen gibt es einen erkennbaren – insofern das unter den Bedingungen eines harten autoritären Regimes möglich ist – Teil, der Antikriegspositionen vertritt, indem sie an gemeinsamen Aktionen teilnehmen, ukrainischen Flüchtlingen helfen, für den Frieden beten und gegen den Krieg predigen. Diese Tätigkeit wird von Kirchenleitung nicht gefördert, und oft werden ihre Teilnehmer oder angeblichen Teilnehmer von den Behörden verfolgt, gebüßt, eingesperrt und gefoltert. Daneben gibt es eine unbedeutende, aber sehr aktive Gruppe Gläubiger und Geistlicher, die den russischen Angriff durch die Verbreitung propagandistischer Narrative unterstützen und der russischen Armee mit Material direkt helfen. Das Zentrum dieser Gruppe ist das Kloster der Hl. Elisabeth in Minsk.
Gemäßigt prorussische Position der Kirchenleitung
Von den Bischöfen der BOK hat sich nur einer offen und eindeutig gegen den Krieg ausgesprochen: der ehemalige Erzbischof Artemij (Kischtschenko) von Hrodna, der 2021 wegen seiner politischen Ansichten in den Ruhestand versetzt worden war. In einem Interview mit dem unabhängigen Projekt Vera+ erklärte er im August 2022, dass er die Haltung der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) und insbesondere des russischen Patriarchen Kirill in Bezug auf den Krieg als „nicht vom Heiligen Geist“ betrachte.[1] Doch die Umstände des Interviews – die vorangegangene Absetzung von Erzbischof Artemij, die unbedeutende Medienpräsenz von Vera+, das Format des Interviews und seine fast einsilbigen Formulierungen – verhinderten, dass diese Aussagen irgendeinen Einfluss auf die Antikriegsagenda ausübten, und sie blieben fast unbemerkt.
Die übrigen – aktiven – Bischöfe äußerten sich eher neutral, obwohl Gläubige der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) die Vertreter der BOK baten, sich gegen den Krieg einzusetzen. So wandten sich die Geistlichen der Eparchie Rivne in den ersten Kriegstagen mit einem Hilferuf an die BOK: „Wir bitten, flehen euch an, nicht zu schweigen und euch an das Oberhaupt eurer orthodoxen Kirche und den Präsidenten eures Landes zu wenden, damit sie das Töten des ukrainischen Volks nicht zulassen.“[2] Vertreter der Eparchie Sarny der UOK baten Metropolit Veniamin (Tupeko) von Minsk, die Bischöfe der BOK und die belarusischen Gläubigen, „sich an den Präsidenten der Republik Belarus Alexander Lukaschenka, ihre Ehemänner und Söhne zu wenden, mit der Bitte, die Grenzen unseres Staats nicht zu überschreiten und ihre Glaubensbrüder nicht zu töten“.[3]
Metropolit Veniamin bezeichnete in seiner ersten Äußerung zum Thema den kriegerischen Angriff Russlands als „Situation in der Ukraine“ und rief im Namen der BOK dazu auf, „Schritte aufeinander zu zu machen“[4] und „sich an das gemeinsame Taufbecken, unser gemeinsames spirituelles Erbe und unsere Heiligen zu erinnern“, wobei er bemerkte, der Krieg sei ein „Familienkonflikt“. Die Position der Kirchenleitung in Bezug auf die Ukraine ist ambivalent, tendiert aber mehrheitlich zu einer prorussischen Haltung.
Einerseits wird in der BOK im Gegensatz zu den Eparchien der ROK in Russland das „Gebet über die Heilige Rus“ nicht gebetet. In diesem Gebet, das im September 2022 während der Mobilmachung in Russland von Patriarch Kirill eingeführt wurde, wird auch um den Sieg Russlands gebettet. Für die Weigerung, das Gebet zu sprechen, oder aufgrund von Veränderungen am Text wurde in Russland einigen Geistlichen die Priesterwürde aberkannt (Ioann Koval[5], Alexej Uminskij[6], Andrej Kudrin[7]) oder ihnen wurde der Dienst verboten (Alexej Vtulov[8]). Stattdessen wurde in der BOK ein eigenes Gebet zusammengestellt, in dem keine Feinde erwähnt werden, die „gegen die Heilige Rus zu Felde gezogen sind“, und auch keine Bitte um den „Sieg“.[9] Manchmal erlaubt es sich Metropolit Veniamin, statt des „Gebets über die Heilige Rus“ das Gebet über den Frieden des Hl. Siluan vom Berg Athos vorzutragen, in dem keine Rede von Feinden, Sieg, Russland oder der Ukraine ist, sondern nur vom Heiligen Geist und von Versöhnung. Zudem dienen belarusische Geistliche der Eparchie Minsk, die wegen ihrer proukrainischen oder Antikriegshaltung von den belarusischen Behörden verhaftet wurden, ohne ernste kirchliche Sanktionen weiter. So schloss der Metropolit den Priester Dzijanisij Karastsialou, der für die Verteidiger der Ukraine gebetet hatte und verhaftet wurde, nur temporär vom Dienst aus.[10]
Andererseits verbreitet Metropolit Veniamin Kremlnarrative und unterstützt die Tätigkeiten prorussischer Aktivisten. So ist beispielsweise bekannt, dass Protodiakon Maxim Logvinov von der Peter-und-Paul-Kathedrale in Minsk, ein russischer Bürger, als Freiwilliger für die russischen Streitkräfte an die Front gereist ist.[11] Metropolit Veniamin trat an einer Veranstaltung des Belarusischen Roten Kreuzes auf[12], dessen Mitgliedschaft in der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften vom Internationalen Roten Kreuz am 1. Dezember 2023 sistiert wurde, weil es der Forderung nicht nachkam, Dmitrij Schevtsov auszuschließen, der während einer Reise in den Donbass mit einer angeblichen humanitären Mission auf dem Ärmel einen Aufnäher mit dem Buchstaben „Z“ trug und damit das grundlegende Prinzip der Rotkreuzbewegung – die Neutralität – verletzte. Veniamin trat auch am sog. Zweiten Internationalen Antifaschistischen Kongress, organisiert vom Verteidigungsministerium Russlands, auf, bei dem er erklärte, dass „künstlich von Parolen der Demokratie und der Menschenrechte verdeckt, [auf der Welt] ein zeitgenössisches Naziregime gefördert wird, unter anderem in der Ukraine“.[13] Außerdem begrüßte der Vorsteher der BOK schon vor dem Beginn des umfassenden Kriegs anrüchige Persönlichkeiten, wie beispielsweise Pjotr Schapko, den Leiter des militärisch-patriotischen Zentrums „Kosakenheil“ und Direktor des Ladens „Vojengrad“ (Militärstadt), der laut einer Untersuchung von Informnapalm in Belarus Söldner für die „Volksrepublik Donezk“ anwarb und ausbildete.[14] Der Metropolit wandte sich am 16. Dezember 2022 mit politischen Aussagen auch an die Versammlung der Geistlichen der Eparchie Minsk. Dabei widmete er seinen Vortrag der geopolitischen Konfrontation des Westens, vor allem der USA, gegen Russland, deren Resultat der Krieg in der Ukraine sei.
Trotz Repressionen kritische Stimmen
Die Haltung der Geistlichen und Gläubigen der BOK in Bezug auf den Ukraine-Krieg kommt nur selten an die Öffentlichkeit. Verantwortlich dafür sind die rigorosen Repressionen im Land: Nur schon für eine ukrainische Flagge auf dem Facebook-Avatar drohen Festnahme und Inhaftierung, man kann verprügelt und gezwungen werden, erniedrigende „Reuevideos“ aufzunehmen.
Die Gruppe „Christliche Vision“ führt ein Monitoring der Verfolgung belarusischer Christen und hat eine ganze Reihe Fälle festgestellt, in denen Geistliche[15] und kirchliche Aktivisten verhaftet oder auf andere Art verfolgt wurden. Geistliche und Gläubige erleiden aus folgenden Gründen Repressionen:
1) (Angebliche) Teilnahme an einer Antikriegsaktion: Der Geistliche Michail Marugo aus Minsk, der sich am 28. Februar 2022 während einer Antikriegsaktion am Minsker Bahnhof befand und in den Händen einen Blumenstrauß hielt, wurde verhaftet und für 13 Tage inhaftiert, wobei er im Untersuchungsgefängnis der Stadt Zhodzina verprügelt und gefoltert wurde.
2) Predigt mit Antikriegselementen: Die Geschichte des Geistlichen Uladzislau Bahamolnikau aus Minsk frappiert aufgrund der Brutalität der Sicherheitskräfte und der christlichen Standhaftigkeit des Geistlichen, der verhaftet wurde, nachdem er sich am 28. August 2022, an Maria Himmelfahrt, in seiner Predigt gegen den Krieg geäußert hatte. Am 31. August wurde er brutal verhaftet, wobei die Tür zu seiner Wohnung aufgebrochen wurde, und es begann ein „Karussell“ von aufeinanderfolgenden Arresten, die sich insgesamt auf 100 Tage im Okrestina-Gefängnis erstreckten. Bei seiner Freilassung hatte er 30 Kilo abgenommen. Die Sicherheitskräfte drohten[16], den Geistlichen für das angebliche Sammeln von Mitteln für die ukrainischen Streitkräfte zu verfolgen und dass ihm ein Strafverfahren nach Art. 361-1 (Gründung einer extremistischen Gruppierung oder Teilnahme daran) drohen könne. Von Mitgefangenen Bahamolnikaus ist bekannt, dass die Haftbedingungen praktisch Folter und eine unmenschliche, entwürdigende Behandlung darstellen: die Enge in der Zelle, wo die Anzahl Personen die Kapazität um ein Mehrfaches übersteigt, das Verbot aller Arten von Zusendungen, darunter Kleidung, Hygieneartikel, Medikamente und Vitamine sowie Korrespondenz, schlechte Beheizung und Belüftung der Zelle, das Licht brennt rund um die Uhr sowie keine ausgerüsteten Schlafplätze, Matratzen und Bettwäsche. Stellen sie sich vor, 100 Tage nicht die Möglichkeit zu haben, sich zu waschen, die Kleidung und Wäsche zu wechseln. Während der Haft erlitt Bahamolnikau eine Coronavirusinfektion und eine bakterielle Lungenentzündung und litt an einem ständigen starken Husten. Alle Gefangenen waren gezwungen, auf dem Boden zu schlafen, eingewickelt in ihre Oberbekleidung, in der sie verhaftet worden waren. Stellen sie sich vor, dass der Geistliche in der Augusthitze verhaftet wurde und erst im Winter freikam; nur im Herbst gelang es, ihm eine Jacke zu bringen. Am 9. Dezember wurde ein Strafverfahren nach Art. 342 des Strafrechts (Massenunruhen) gegen ihn eingeleitet, er wurde in Haft genommen und am 19. Dezember 2022 unter der Auflage, nicht auszureisen, freigelassen.
3) Gebet für die Ukraine: Der Geistliche Dzijanisij Karastsialou aus Minsk wurde im Januar 2023 verhaftet, weil er an einem Bittgottesdienst eine Bitte „für die Verteidiger der Ukraine“ vorgelesen hatte. Die Propaganda fiel über ihn her, er wurde gezwungen, ein „Reuevideo“ aufzunehmen, und verbrachte 14 Tage in Haft, wo er gefoltert wurde.
4) Ukrainische Staatsbürgerschaft: Der Geistliche Ihar Kavaltschuk aus Rahatschou in der Region Homel wurde verhaftet, weil er Bürger der Ukraine ist. Anfang Februar 2024, nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Italien, wurde er verhaftet, sein Telefon wurde kontrolliert und es wurde „entdeckt“, dass er „extremistische“ Quellen abonniert habe. Dafür saß er zweimal nacheinander einen Arrest von je 15 Tagen ab, wobei von den Sicherheitskräften Druck auf ihn ausgeübt wurde. Er musste Belarus schließlich verlassen.
5) Teilnahme an einem Antikriegsgebet: Auch Laien können verfolgt werden. So wurden fünf orthodoxe Frauen nach einem Abendgottesdienst am 3. März 2022 in der Minsker Kathedrale verhaftet, nachdem sie zur Gottesmutter um Schutz für junge belarusische Männer – ihre Söhne – gebetet hatten, damit sie nicht in den Krieg in die Ukraine geschickt würden. An dem Tag umringten Sicherheitskräfte die Kathedrale und filmten alle, die hineingingen, um zu beten.
6) Antikriegslieder: Im Juni 2023 wurde die Verhaftung der orthodoxen Komponistin Volha Miniankova bekannt, der Leiterin der Studentischen Volkschorkapelle der Belarusischen Staatlichen Universität. Nach dem Beginn der russischen Großinvasion schrieb sie eine ganze Reihe von Antikriegsliedern und führte sie mit ihrem Chor auf, auch an offiziellen Veranstaltungen. Ihre Verhaftung erfolgte nach einer Provokation in den sozialen Medien, als sie eine Einladung, mit dem Chor in den von Russland besetzten Gebieten aufzutreten, ablehnte.[17]
7) Publikationen im Internet: Am 8. November 2022 wurde Aleh Nahorny, ein belarusischer orthodoxer Gläubiger und Publizist, verhaftet, der am Minsker Geistlichen Seminar studiert und in verschiedenen Projekten mit der BOK zusammengearbeitet hatte. Er publizierte Antikriegstexte und Texte, die die Z-Ideologie entlarven. Ihm wurde eine Administrativstrafe in Form eines 15-tägigen Arrests nach Art. 19.10 des Gesetzbuchs über Ordnungswidrigkeiten (Propaganda oder öffentliches Zeigen, Anfertigen, Verbreiten von Nazisymbolen oder -attributen) auferlegt. Er wurde gefoltert und musste Belarus verlassen.
8) Kommentare in Chats: Am 20. Juni 2024 wurde die Verhaftung des orthodoxen Chorsängers Daniel Landsay Keita aufgrund von Kommentaren in Chats bekannt. In den Chats hatte er sich unter anderem negativ zu Russlands Angriff auf die Ukraine äußerte.
Diese einzelnen Fälle sind nur die sichtbare Spitze des Eisbergs dessen, was versteckt passiert und nicht in die Öffentlichkeit kommt. An einer Versammlung der Geistlichen der Minsker Eparchie Ende 2023 erklärte Olga Tschemodanova, die Leiterin der Hauptabteilung für ideologische Arbeit und Fragen der Jugend des Exekutivkomitees der Stadt Minsk, dass Antikriegs- und proukrainische Tendenzen im orthodoxen Milieu die belarusischen Behörden beunruhigen. Sie merkte an, dass die Behörden Gebete und Predigten überwachten, die in belarusischen Kirchen zu hören seien. Im Rahmen dieses Monitorings sei aufgefallen, dass orthodoxe Geistliche für die Ukraine beteten.[18]
Eine wichtige Rolle beginnen auch belaruische Orthodoxe in der Diaspora zu spielen. Viele Geistliche und Laien, die wegen des Risikos von Repressionen gezwungen sind, in freie Länder auszureisen, werden zur öffentlichen Stimme der belarusischen Orthodoxie.
Kloster der Hl. Elisabeth: Unterstützung für den russischen Angriff
Das Kloster der Hl. Elisabeth in Minsk ist eine Körperschaft, die aus einer religiösen Gemeinschaft, Medien und einem Netz kommerzieller Unternehmen, die Produkte für den kirchlichen und nichtkirchlichen Gebrauch herstellen und diese in Belarus, Russland und Ländern des entfernteren Auslands verkaufen, besteht. Die Struktur der Körperschaft ist äußerst komplex, da ein Großteil der Arbeit in der Schattenwirtschaft stattfindet. Daran nehmen auf die eine oder andere Art Tausende Menschen teil: Nonnen, „weiße Schwestern“, Mitarbeiter der Werkstätten, Unternehmen und Abteilungen, Bewohner der Landwirtschaftsbetriebe, Chorteilnehmer, Freiwillige und Gemeindemitglieder.
Der monatliche Geldumsatz liegt bei mehreren Millionen Euro. Aus den Einnahmen werden die Löhne der Mitarbeitenden des Klosters und seiner Organisationen finanziert, Immobilien gekauft und gebaut sowie Medienprojekte umgesetzt. Offiziell gehören dem Kloster und seinen Organisationen laut Angaben belarusischer Forschender[19] 300 ha Land. Die Mehrheit des Klosterbesitzes lautet auf Privatpersonen – vertrauenswürdige Nonnen oder Mitglieder der „Orthodoxen Schwesterschaft zu Ehren der Ehrwürdigen Märtyrerin Großfürstin Elisabeth“. Als religiöse Organisation ist das Kloster der Hl. Elisabeth von Steuern und Gebühren befreit, auch für seine kommerzielle Tätigkeit bezahlt es keine Steuern.
Einen bedeutenden Teil seiner Mittel – sowohl Einkünfte als auch Spenden – erzielt das Kloster im Ausland: aus dem Verkauf eigener Produkte sowie aus dem Weiterverkauf vorgeblich eigener, aber in Wirklichkeit chinesischer Güter, die es auf Großmärkten in der Nähe von Moskau kauft. Einige vom Kloster hergestellte Güter können von guter Qualität und sogar Kunstwerke sein, andere können bedenklich sein. Laut Aussagen ehemaliger und jetziger Angestellter sind bei einer Reihe von Produkten Verstöße gegen die Produktionstechnologie und hygienisch-epidemiologische Normen beobachtet worden, daher können die Güter für die Gesundheit schädlich und gefährlich sein. Einem bedeutenden Teil der Güter fehlen Qualitätszertifikate. Nur einige der kommerziellen Strukturen, so der Verlag, existieren teilweise innerhalb eines legalen Rahmens, durch den ein Teil der „sauberen“ Mittel läuft.
Die Bezahlung der Güter erfolgt weitgehend mit Bargeld, und dieses Geld bleibt in der Schattenwirtschaft. Im Kloster gibt es keinerlei finanzielle Transparenz, weder für die Mitarbeitenden noch für staatliche Organe, deshalb sind die tatsächlichen Ausmaße des Umsatzes nur durch indirekte Anzeichen abschätzbar.
Im Ausland hat das Kloster der Hl. Elisabeth mindestens zwei Organisationen, durch die ein Teil der finanziellen Mittel umgesetzt wird: die Fundacja Galeria JELISAVIETA in Hajnówce in Polen[20] und der Förderverein „Freunde des Hl. Elisabeth Klosters“ in Berlin.[21]
Die vom Kloster angebotenen, rentablen Sozialprojekte richten sich an freigelassene Strafgefangene, Alkohol- und Drogenkranke. Sie leben auf dem Gebiet des Dorfs Lysaja Gora und arbeiten dort auf dem Bauernhof, der ihren Unterhalt deckt. Daneben durchlaufen sie keinerlei Rehabilitationsprozess. Die Bewohner werden für die Teilnahme an verschiedenen ideologischen Unternehmungen wie Kreuzprozessionen am 9. Mai mit russischen Flaggen und Flaggen mit Z-Symbolik mobilisiert. Einige Sozialprojekte sind gefälscht, so ein Teil der Produktionswerkstätten, die als „Unterrichtsräume“ für Menschen mit eingeschränkten Möglichkeiten eingerichtet sind und sich in zwei Häusern in der Ortschaft Tsna bei Minsk befinden. Tatsächlich befinden sich in diesen Gebäuden bedeutende Produktionen, 20 bis 30 verschiedene Werkstätten, von denen die größten die Keramik-, Bekleidungs- und Mosaikproduktion sowie der Verlag sind. Auf dem Areal der ehemaligen Fernseherfabrik „Gorizont“ befindet sich eine große Kosmetikproduktion.
Von Zeit zu Zeit besuchen Freiwillige des Klosters der Hl. Elisabeth Gesundheitseinrichtungen, darunter das Zentrum der Republik für psychische Gesundheit und ein psychoneurologisches Internat. Teilweise stellen diese Besuche einen Absatzmarkt für Waren aus dem Kloster dar, so werden den Kranken Ikonen, Büchlein, heiliges Wasser und Öle verkauft. Häufig geben die Schwestern, die keine angemessene theologische oder medizinische Ausbildung haben, den Menschen Ratschläge für ihre Heilung und ermuntern zur Ablehnung medizinischer Prozeduren. Wenn Freiwillige kranke Kinder oder Internatsbewohner besuchen, kaufen sie teilweise mit eigenen Mitteln Geschenke oder notwendige Sachen, das Kloster bietet bei diesem Dienst keine finanzielle Hilfe, obwohl es Spenden dafür sammelt. Die Bewohner des psychoneurologischen Internats nehmen in Absprache mit dessen Leitung an ideologischen Veranstaltungen des Klosters der Hl. Elisabeth teil.[22]
Die Gruppe „Christliche Vision“ hat versucht, die Arbeit des Klosters mit verletzlichen Gruppen zu analysieren, indem sie mit früheren und jetzigen Teilnehmer:innen sprach. Diese berichteten nicht nur von systematischer Unprofessionalität, Missbräuchen und Manipulationen des Klosters gegenüber den Schützlingen, sondern auch von einer sehr schlechten Einstellung des Klosters zu den Freiwilligen, die an der sozialen Arbeit teilnehmen, im Sinne von „benutzen und wegwerfen“.[23] Viele Freiwillige sind von ihrer Erfahrung der Zusammenarbeit mit dem Kloster zutiefst traumatisiert und sprechen nur ungern von ihrer Erfahrung im Kloster.
Das Kloster der Hl. Elisabeth ist eines der Zentren der Unterstützung des russischen Angriffskriegs in Belarus, sowohl propagandistisch als auch bei der materiellen Versorgung der russischen Armee. Das andere belarusische Zentrum ist das stauropegiale Kloster der Geburt der Gottesmutter unter der Leitung der anrüchigen Äbtissin Gavriila (Gluchova), in dem die Sonntagsschüler Unterstützungsbriefe für russische Soldaten an der Front schreiben[24] und Mnogoletije-Gebete für den „Hauptkommandierenden Putin“[25] vorgetragen werden.
Für Menschen in Russland und Belarus ist das kein Geheimnis. Es ist einfach, sich ein paar Reden des Geistlichen des Klosters, Erzpriester Andrej Lemeschonok, auf dem YouTube-Kanal des Klosters anzuhören, in denen er sich unzweideutig mit Sympathie über Putin und unterstützend über den russischen Angriff äußert. Auf den russischsprachigen Kanälen der sozialen Medien des Klosters gibt es zudem Fotos mit russischen Flaggen und Z-Symbolik, Ankündigungen über Geldsammlungen für verschiedene Bedürfnisse der russischen Armee, Kinder mit Waffen etc. Um einen Eindruck zu erhalten, kann man Fotos aus dem Zentrum „Arche“ vom Feiertag, der zum Beginn des russischen Angriffs anberaumt wurde, mit Trikoloren und Z-Flaggen[26] oder Kindern mit Waffen[27] anschauen.
Auf den Kanälen auf Französisch, Englisch, Deutsch und in anderen Sprachen finden sich hingegen spirituelle Denksprüche, Heiligenviten, Beschreibungen der „sozialen Tätigkeit“, gefühlvolle Interviews mit Menschen aus dem Kloster und Warenkataloge. Alle Aktivitäten zur Unterstützung der russischen Armee und des russischen Angriffs werden vor ausländischen Lesern sorgfältig verborgen, weil sie dem Ruf und damit auch dem finanziellen Umsatz des Klosters schaden könnten.
Nachdem die höchsten Organe der katholischen Kirche in Frankreich Ende April 2024 ihren Gemeinden, Klöstern und Organisationen jegliche Zusammenarbeit mit dem Kloster der Hl. Elisabeth verboten hatten, schickte seine Vorsteherin, Schwester Jevfrosinija Laptik, einen Brief[28] an katholische Organisationen, in dem sie jede Hilfe für die russische Armee abstritt und beteuerte, es handle sich um Lügen und Diskreditierungen.
Aber die Gruppe „Christliche Vision“ betreibt ein ständiges Monitoring der Tätigkeiten des Klosters und sammelt bestätigte Fakten zu Käufen von Autos[29], Drohnen[30], Drohnenabwehrsystemen[31] und leisen Quads[32] sowie zum Flechten von Tarnnetzen etc. für die Armee. Eine Vielzahl von Fakten mit belegenden Links publizierte „Christliche Vision“ im Artikel „Das Kloster der Hl. Elisabeth: die Wahrheit aufdecken“.[33] Außerdem hat die Nonne Alexandra (Ljachova), die diese Tätigkeit des Klosters koordiniert, zugegeben, dass Hilfe beim Kauf und der Lieferung von Mitteln für die russische Armee durch das Kloster der Hl. Elisabeth auch aus Deutschland geleistet wird.[34] Bei einer kürzlichen Bestellung bat Alexandra Ljachova einen Freiwilligen, der in Wahrheit ein Journalist von Belsat war, wenn möglich einen lautlosen Quad aufzutreiben[35], da diese im Krieg in der Ukraine für Sabotageakte und die Evakuierung von Verwundeten vom Schlachtfeld benutzt werden. Zudem sammelte das Kloster 6800 Dollar für ein neues Auto für Fahrten in die besetzten Gebiete.[36]
In Europa beschäftigen sich die Nonnen des Klosters, die „weißen Schwestern“ und Brüder nicht nur mit der Mittelbeschaffung. Sie geben selbst zu, dort Propaganda zu betreiben, indem sie russische Narrative über den Krieg verbreiten.[37] Auf ihren Reisen tauschen sich die Klostervertreter:innen aktiv mit Personen aus, die Putin unterstützen.[38] Es ist auch bekannt, dass es in europäischen Ländern, insbesondere Deutschland, Personen gibt, die dem Kloster zu helfen versuchen, verschiedene für die Armee nötige Waren, z. B. Antiverbrennungspräparate, zu beschaffen.[39] Unlängst kam heraus, dass der Fahrer, der die Nonnen Minodora (Tatjana Gvozd) und Nimfodora (Olga Karpovitsch) auf ihren Reisen ins Ausland fährt, mit dem belarusischen Staatskomitee für Sicherheit in Verbindung steht.[40]
Beim Bekanntwerden der Aktivitäten des Klosters der Hl. Elisabeth lassen sich zwei Reaktionen beobachten: Einerseits erhält es dank seiner politischen Position und Unterstützung der russischen Armee noch mehr finanzielle Unterstützung von Bürger:innen ausländischer Staaten, die diese politische Ansicht teilen. Das Kloster wird angesichts der Sanktionen zum einzigen (halb-)legalen Mittel, um prorussische Propaganda und Aktivitäten zu unterstützen. Andererseits hören diejenigen, die diese Aktivitäten inakzeptabel finden und die im Kloster herrschenden Missbräuche erkennen, auf, in irgendeiner Weise mit dem Kloster zusammenzuarbeiten. So hat sich der Koordinator von dessen Aktivitäten in Großbritannien, Steve Lacey, vom Kloster getrennt.[41] Zentrale Institutionen der französischen Katholiken haben ihren Organisationen die Zusammenarbeit mit dem Kloster zu verbieten begonnen.[42] Auch die Organisatoren einer Reihe von Weihnachtsmärkten in Europa lehnen Stände des Klosters ab, z. B. in Winchester in Großbritannien.[43]
Zudem gibt es eine große dritte Gruppe: Diejenigen, die noch keine Informationen haben und keine fundierten Entscheidungen treffen können und deshalb dem Kloster helfen, in der Meinung, bedürftigen und verletzlichen Gruppen in Belarus zu helfen. Zudem ändert das Kloster seine Strategie. Die Schwestern reden so, als ob sie Ukrainern helfen würden. So war das in Dublin, wo die Schwestern behaupteten, dass sie humanitäre Hilfe in die Ukraine bringen.[44] Sie bestreiten die Unterstützung für den russischen Angriff, beispielsweise mit einem Brief der Äbtissin Evfrosinija an französische Kirchgemeinden und Organisationen.[45] Oder sie verstecken einfach ihre Zugehörigkeit zum Kloster wie beispielsweise im September 2023 in Tschenstochau.[46]
Schlussfolgerung
In der BOK lassen sich verschiedene Gruppen hinsichtlich der Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausmachen. Dabei lässt sich eine gewisse Gesetzmäßigkeit beobachten: Diejenigen, die sich während der Massenproteste gegen die Regierung 2020 für Wandel, ehrliche Wahlen, gegen Gewalt, Gesetzlosigkeit und Repressionen eingesetzt haben, sind auch gegen den Krieg und solidarisch mit dem ukrainischen Volk. Die Hauptakteure bei der Unterstützung des Regimes von Lukaschenka gehören nun zu Gruppen, die den russischen Angriff unterstützen. Die innerkirchlichen Verfolgungen aufgrund der politischen Krise in Belarus trafen allerdings breite Kreise von Geistlichen und Laien, die sich dem Lukaschenka-Regime gegenüber illoyal zeigten. Sie wurden in andere Kirchgemeinden versetzt, entlassen und bedroht, für Antikriegsaktivitäten und -äußerungen hingegen lassen sich in der Regel fast keine kirchlichen Verfolgungen beobachten.
„Christliche Vision“, zivilgesellschaftliche Organisation, die Theologen, Geistliche und Aktivisten aus verschiedenen Kirchen in Belarus und anderen Ländern vereint und sich für Menschenrechte und eine demokratische Entwicklung von Belarus einsetzt.
Übersetzung aus dem Russischen: Natalija Zenger.
Anmerkungen:
[1] https://veraplus.org/2022/08/14/interview-vladyka-artemij/
[2] https://web.archive.org/web/20220426193918/https://rivne.church.ua/2022/03/02/duxovenstvo-chernectvo-ta-viryani-napisali-zvernennya-do-svyashhennikiv-ta-viryan-biloruskoji-pravoslavnoji-cerkvi/
[3] https://sarny.church.ua/2022/03/03/zvernennya-do-duxovenstva-i-miryan-respubliki-bilorus/#2024-07-30
[4] https://t.me/BelExarchate/1502
[5] https://shaltnotkill.info/rev-ioann-koval-russian-orthodox-church-moscow/
[6] https://shaltnotkill.info/archpriest-alexey-uminsky-russian-orthodox-church-moscow/
[7] https://shaltnotkill.info/priest-andrey-kudrin-russian-orthodox-church-moscow/
[8] https://shaltnotkill.info/rev-alexey-vtulov-russian-orthodox-church-podolsk-district-moscow-oblast/
[9] https://t.me/christianvision/3821
[10] https://t.me/christianvision/3045
[11] https://t.me/christianvision/3202
[12] https://t.me/shaltnotkill/5867
[13] https://www.belta.by/society/view/mitropolit-veniamin-prikryvajas-lozungami-demokratii-zapad-pooschrjaet-sovremennyj-natsistskij-rezhim-583195-2023/
[14] https://informnapalm.org/15874-voyny-russkogo-myra-v-belarusy/amp/
[15] https://belarus2020.churchby.info/persecuted-belarusian-clergy/
[16] https://t.me/christianvision/2798
[17] https://t.me/christianvision/3348
[18] https://t.me/christianvision/3641
[19] https://buromedia.io/en/investigations/svyaschennaya-bukhgalteriya
[20] https://bip-sthajnowka.wrotapodlasia.pl/ewidencjastowarzyszenzwyklych/mapa_aktywnoci_fundacji/fundacja-galeria-jelisavieta-w-hajnowce.html
[21] https://hl-elisabeth-erben.org/
[22] https://t.me/christianvision/3832
[23] https://stopsem.churchby.info/use-and-throw-away-what-is-hiding-behind-the-facade-of-social-activities-of-the-st-elisabeth-convent
[24] https://t.me/christianvision/3789
[25] https://t.me/christianvision/2705
[26] https://stopsem.churchby.info/the-concert-we-do-not-abandon-our-own/
[27] https://obitel-minsk.ru/smotret/foto/2024/den-pobedy-v-nashem-monastyre
[28] https://t.me/christianvision/3847
[29] https://stopsem.churchby.info/how-the-elisabeth-monastery-paid-for-the-fleet-of-vehicles-to-the-russian-occupiers/
[30] https://stopsem.churchby.info/minsk-st-elisabeth-convent-revealing-the-truth-ru/#_ftn33
[31] https://stopsem.churchby.info/st-elisabeth-monastery-buys-anti-drone-guns/
[32] https://stopsem.churchby.info/nun-alexandra-lyakhova-confirmed-that-she-is-organizing-fundraisers-for-the-russian-military/
[33] https://stopsem.churchby.info/st-elisabeth-convent-minsk-belarus/
[34] https://stopsem.churchby.info/nun-alexandra-lyakhova-confirmed-that-she-is-organizing-fundraisers-for-the-russian-military/
[35] Ebd.
[36] https://stopsem.churchby.info/примерно-такая-как-на-фото-минский-м/
[37] https://stopsem.churchby.info/the-convent-admitted-waging-an-information-war-in-europe/
[38] Ebd.
[39] https://stopsem.churchby.info/nun-alexandra-lyakhova-confirmed-that-she-is-organizing-fundraisers-for-the-russian-military/
[40] https://t.me/christianvision/3933
[41] https://belarus2020.churchby.info/it-reminds-me-of-isis-the-briton-talks-about-his-collaboration-with-the-st-elizabeth-convent/
[42] https://stopsem.churchby.info/the-convent-admitted-waging-an-information-war-in-europe/
[43] https://www.hampshirechronicle.co.uk/news/23139443.winchester-cathedral-christmas-market-russian-linked-stall-banned/
[44] https://t.me/christianvision/3744
[45] https://t.me/christianvision/3847
[46] https://belsat.eu/ru/news/03-09-2023-svyato-elisavetinskij-monastyr-podderzhivayushhij-rossijskih-voennyh-torguet-svoimi-tovarami-v-polshe
Bild: Kloster der Hl. Elisabeth in Minsk (Foto: https://obitel-minsk.org)