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Belarus: Regimekritischer Erzbischof abgesetzt

17. Juni 2021

Die Belarusische Orthodoxe Kirche (BOK) hat den regimekritischen Erzbischof Artemije (Kischtschanka) von Hrodna abgesetzt. Der Hl. Synod entschied an seiner Sitzung vom 8. Juni, die Versetzung in den Ruhestand von Erzbischof Artemij aus „gesundheitlichen Gründen“ beim Hl. Synod der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK), der die BOK untersteht, zu beantragen. Bereits am folgenden Tag kam der Hl. Synod der ROK diesem Antrag nach einer Online-Sitzung nach. Zu Artemijs Nachfolger erklärte er Bischof Antonij (Doronin) von Slutsk und Soligorsk.

Vor Artemijs Versetzung in den Ruhestand waren auf dem Gelände eines Frauenklosters der Eparchie Unterschriften für seine Amtsenthebung gesammelt worden. Dessen Vorsteherin Igumenja Gavriila (Gluhova) ist für ihre regimetreue Haltung bekannt. So hatte sie an einem von Alexander Lukaschenka organisierten Frauenforum die Proteste gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen vom Sommer 2020 scharf kritisiert. Artemij hatte dagegen wiederholt das gewaltsame Vorgehen der Behörden kritisierte. In einem Gottesdienst am 16. August 2020 sagte er beispielsweise, die Behörden sollten „knien für alle Fälschungen, für diese Lüge“. Er bezeichnete die Ereignisse als „Gesetzlosigkeit“ und prangerte die Gewalt gegen die Demonstrierenden an. Er rief die Verantwortlichen auf, aufzuhören: „Ihr handelt nicht nach dem Evangelium! Ihr habt die Hand gegen Christus erhoben! Und euch wird nicht verziehen werden! Und eure Sache wird nicht standhalten!“

Die Absetzung Artemijs löste in Belarus ein breites Echo aus. So veröffentlichte die Arbeitsgruppe Christliche Vision des Koordinierungsrats eine Erklärung, in der sie die Entscheidung als „erzwungene Absetzung“ aus einem „bewusst falschen Anlass“ bezeichnete, wobei sie auf das Fehlen eines Rücktrittsgesuchs des Erzbischofs verwies. Der wahre Grund sei seine „kühne moralische öffentliche Position“. Zudem verwies die Arbeitsgruppe auf Artemijs Verdienste als „angesehenem Bischof“ der BOK unter anderem dank seiner Aktivitäten in der Jugendarbeit und als Dozent. Mitte August hätten 300 Personen – Priester, Theolog*innen, Intellektuelle, aktive Laien, Mitarbeitende der Strukturen der BOK – einen Brief an Artemij geschrieben, um ihre Dankbarkeit für seine „Position und seinen Mut“ auszudrücken. Der erzwungene Ruhestand „untergräbt die Autorität der Hierarchie im Kirchenvolk, bei den Laien und Geistlichen, und schadet dem Image der orthodoxen Kirche in der belarusischen Gesellschaft“. Die Arbeitsgruppe lehnt die „politisch motivierte“ Absetzung und die „kanonische Willkür entschieden ab“ und verurteilt scharf die Handlungen der Hl. Synoden der BOK und der ROK. Abschließend rief sie die Beteiligten auf, alle „Maßnahmen zu ergreifen, um die Gerechtigkeit wiederherzustellen“.

Der russische orthodoxe Geistliche und Blogger Andrej Kurajev bedauerte, dass mit Erzbischof Artemij das „Gewissen der belarusischen Kirche“ entfernt worden sei. Der Co-Vorsitzende der Belarusischen Christdemokraten, Vitalij Rymaschevskij, bemerkte, man könne noch lange davon sprechen, dass die Kirche von der Politik getrennt sei. Aber wenn Geistliche die Repressionen des Staates unterstützten, werde unweigerlich der Geist des Antichristen in die Kirche getragen. Auf dem Belarus Security Blog hieß es, die Absetzung Artemijs sei „völlig erwartet“ erfolgt, denn die Kirche sei aktuell „ein zweitrangiges Staatskomitee für die Produktion von Wundern und Verteilung von Gnade“. Artemij wurde gute Gesundheit und Optimismus gewünscht, denn Belarus brauche Anführer wie ihn, jemand werde die Kirche wieder aufbauen müssen. Die Moderatorin der Gruppe Christliche Vision, Natallia Vasilevich, betonte, Artemij verliere mit seinem Ruhestand nichts, sondern „gewinne als spirituelle Symbolfigur“.

Im Gegensatz zu Artemij hat sein Nachfolger Antonij nach den Präsidentschaftswahlen lediglich dazu aufgerufen, Frieden und Gerechtigkeit zu wahren. Zudem erklärte er den Geistlichen in seiner Eparchie, ihr Amt erlaube ihnen nicht, sich bei „politischen Parteien, Bewegungen und Aktionen“ zu beteiligen. Ohne besonderen Segen ihres Bischofs hätten Geistliche „kein Recht, als Vertreter der Kirche an politischen Treffen und Manifestationen teilzunehmen“. Nur der Hl. Synod sei bevollmächtigt, die politische Lage im Land zu kommentieren. In der Eparchie Slutsk, die der aus einer russischen Familie stammende Antonij bisher geleitet hatte, wurden keine Gottesdienste auf Belarusisch durchgeführt. Artemij hingegen hatte den Gebrauch der belarusischen Sprache in seiner Eparchie aktiv gefördert.

Erzbischof Artemij erklärte seine Absetzung gegenüber der belarusischen Ausgabe von Radio Liberty mit einer „allgemeinen Säuberung“ im Land, im Zuge derer auch die Kirche auf ihren Platz verwiesen werde. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er zurück. So habe er keinesfalls über eine Abspaltung gesprochen, sondern im Gegenteil die Gläubigen zu Solidarität und Einheit aufgerufen. Zudem verteidigte er seine Besuche bei Gefangenen und Aufrufe zum Schutz des Landes. Er erklärte, keinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen gestellt zu haben. Zwar habe er altersbedingte Probleme – Artemij ist 69 Jahre alte –, die Situation sei aber „nicht kritisch“. Sein Gesundheitszustand hindere ihn in keiner Weise daran, seinen Dienst auszuüben, daher habe er dem Hl. Synod auch direkt gesagt, dass dieser „unehrlich“ handle. Sich um sein Volk zu sorgen, sei „gesetzmäßig“. Er „beurteile nicht die Regierung oder politische Struktur, wir sprechen darüber, dass wir eine Verletzung aller Normen des menschlichen Seins sehen“. Das sei unzulässig und „wir rufen dazu auf, der Grausamkeit gegenüber unserem Volk ein Ende zu setzen und die völlig unschuldigen Gefangenen zu befreien“. Eigentlich müsste die Eparchie ihn materiell unterstützen, doch er sei angewiesen worden, seinen Wohnort zu verlassen. Er müsse nun nach Minsk ziehen und dort allein leben. Sie „wollen mich in die Enge treiben“, aber er werde überleben, er erhalte eine staatliche Rente und wenn nötig werde er als Wachmann in einer Gemeinde arbeiten. (NÖK)

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