Russland: Patriarch sieht sich einig mit Papst und Erzbischof von Canterbury
Nach ihrer historischen Zusammenkunft in Havanna im Februar 2016 haben sich Papst Franziskus und der russische Patriarch Kirill am 16. März zu einem Videogespräch getroffen und über die Lage in der Ukraine ausgetauscht. Dies bestätigten sowohl das Moskauer Patriachat als auch der Vatikan in Pressemitteilungen. Von Seiten des Moskauer Patriarchats hieß es, dass der Patriarch mit dem Papst insbesondere über die „humanitären Aspekte der gegenwärtigen Krise“ und die Maßnahmen der Russischen Orthodoxen Kirche und der römisch-katholischen Kirche zur Überwindung von deren Folgen gesprochen habe. Beide Seiten würden dem „laufenden Verhandlungsprozess“ außerordentliche Bedeutung zumessen und hofften, dass ein gerechter Friede so bald wie möglich erreicht werden kann.
Der Direktor des Pressebüros des Hl. Stuhls, Matteo Bruni, bestätigte, dass im Mittelpunkt des Gesprächs zwischen Papst und Patriarch der Krieg in der Ukraine und „die Rolle der Christen und ihrer Seelsorger“ gestanden hätten. Dabei seien sich beide Kirchenoberhäupter einig gewesen, dass die Kirche „nicht die Sprache der Politik verwenden“ dürfe, „sondern die Sprache Jesu“. Papst Franziskus erinnerte insbesondere an die Opfer des Krieges: „Diejenigen, die die Rechnung für den Krieg bezahlen, sind die Menschen, es sind die russischen Soldaten und es sind die Menschen, die bombardiert werden und sterben“. Zudem könne man heute nicht mehr von einem heiligen oder gerechten Krieg sprechen, es habe sich ein „christliches Bewusstsein für die Bedeutung des Friedens entwickelt“. „Kriege sind immer ungerecht, denn es ist das Volk Gottes, das zahlt“, so der Papst. An dem Gespräch zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kirill nahmen auch der für Ökumene zuständige Kurienkardinal Kurt Koch und der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Ilarion (Alfejev), teil.
Am 16. März führte Patriarch Kirill auch ein Videogespräch mit Erzbischof Justin Welby von Canterbury. Laut Mitteilung des Außenamts des Moskauer Patriarchats habe der Patriarch dabei den Standpunkt der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) zu den „Entwicklungen seit 2014“ dargelegt. Statt von „Krieg“ ist in der Presseerklärung von „der Krise in der Ukraine“ die Rede. Auch im Gespräch mit dem geistlichen Oberhaupt der Kirche von England sei der humanitäre Aspekt, darunter die kirchliche Hilfe für Flüchtlinge, thematisiert worden. Patriarch Kirill betonte insbesondere, dass jeder Mensch das Recht haben müsse, seinen Glauben frei zu leben und in seiner Muttersprache zu sprechen, und nicht aufgrund dessen politisch verfolgt zu werden. In der Mitteilung des Erzbistums von Canterbury heißt es, Welby habe seine große Sorge über den Krieg in der Ukraine ausgedrückt, der eine große Tragödie sei. Er habe betont, dass die Gewalt beendet werden müsse und Krieg niemals die Antwort sei. Die Kirchen müssten Friedensstifter sein und tun, was sie könnten, um „Politiker in ihrer Arbeit zu befähigen, die Freiheit und Rechte aller Menschen in der Ukraine zu etablieren“. Er rief Patriarch Kirill auf, sich ihm anzuschließen und öffentlich für Frieden auszusprechen.
Patriarch Kirill hat jedoch seine ganz eigene Lesart der beiden Gespräche mit den Kirchenoberhäuptern. In seiner Rede an der Sitzung des Obersten Kirchenrats der ROK am 18. März behauptete er, dass die Video-Kontakte zu Papst Franziskus und Erzbischof Welby ein „hohes Maß an Einigkeit und Verständnis“ gezeigt hätten. Er betonte, wie wichtig der Austausch über die Ukraine für die Beziehungen mit den beiden Kirchen und die bilateralen Beziehungen des Patriarchen mit den beiden Kirchenoberhäuptern gewesen sei. Zudem seien die Treffen für eine „so weit wie möglich gemeinsame Haltung zur Situation in der Ukraine“ gut gewesen. Die Gesprächspartner hätten sich offenbar „nicht von uns entfernt und sind nicht unsere Feinde geworden“, also hätten die politischen Umstände die Verbindung nicht zerstören können.
Der Patriarch erinnerte an die „vernichtende Kritik eines bestimmten Teils unserer kirchlichen Gemeinschaft“ und an die vielen Aufrufe, den Ökumenischen Rat der Kirchen zu verlassen, mit der Begründung, die bilateralen Beziehungen seien ein Verrat an der Kirche. Demgegenüber bewertete er die beiden Videogespräche als positives Zeichen, da sich „unsere Kirche ohne all dies in völliger Isolation befinden würde und wir nicht die geringste Möglichkeit hätten, unseren Partnern unser Verständnis der Situation und unsere Sicht der Dinge zu vermitteln. Und, was am wichtigsten ist, wir hätten keine Chance, in diesen Partnern Menschen zu sehen, die mit der Position der ROK sympathisieren.“ Mit dieser Begründung rechtfertigte Patriarch Kirill nochmals die Entwicklung von Beziehungen mit orthodoxen und nichtorthodoxen Christen in den letzten Jahren. Er betonte zudem, dass die Position der ROK ein „echter friedensstiftender Faktor“ sein könne, der sich positiv auf die Entwicklungen in der Ukraine auswirkt. (NÖK)
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