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Russland: Patriarch Kirill kritisiert Untreue der UOK

17. März 2022

Patriarch Kirill hat erneut dazu aufgerufen, dem Druck äußerer Kräfte Widerstand zu leisten. In seiner Predigt zum „Sonntag der Orthodoxie“ am 13. März bezichtigte das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) zudem die ukrainische Regierung der Verfolgung der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) und der Kirchenspaltung auf der „Russischen Erde“ in der Ukraine, Belarus und Russland. Dem Hauptkommandeur der russländischen Nationalgarde (Rosgvardija) überreichte er eine Ikone für die Hauptkirche der Rosgvardija.

Am kirchenhistorischen Beispiel des Bildersturms in Byzanz erläuterte der Patriarch, wie gefährlich die Abhängigkeit der Kirche von der politischen Regierung als äußerer Kraft sei. Damals wurde die Ikonenverehrung von einem Kaiser abgeschafft, was zu furchtbarem Vandalismus geführt hatte, und dann von der Kaiserin Theodora II. im Jahr 843 wieder eingeführt, was am „Sonntag der Orthodoxie“ gefeiert wird. Diese Form kirchlicher Abhängigkeit von äußeren Kräften ist Kirill zufolge die gefährlichste: Ein Christ solle für die Regierung und die Armee beten, wenn letztere aber gottlos würden, habe er das Recht, sich von ihnen abzuwenden. Dasselbe Problem stelle sich heute in der Ukraine: „Da kommt eine Regierung daher und hält es aus politischen Gründen nicht für möglich, dass die Mehrheit der orthodoxen Gläubigen der Russischen Orthodoxen Kirche, dem Moskauer Patriarchat, angehört. Sie beginnt damit, diese Menschen zu schikanieren. Sie werden fast des Staatsverrats beschuldigt, sie werden unter Druck gesetzt, nicht in die Kirche zu gehen, die beleidigend und blasphemisch als ‚Okkupantenkirche‘ bezeichnet wird. Und natürlich gibt es, wie zur Zeit des Bildersturms, Menschen, die sich sofort ins Fahrwasser der Staatsmacht begeben.“ Aufgrund der historischen Erfahrung der ROK müsse man deshalb sagen: „Wir respektieren die weltliche Macht, aber wir behalten uns das Recht vor, uns von staatlichen Eingriffen in das innere Leben der Kirche frei zu halten. Wir hoffen, dass dies auch auf ukrainischem Boden der Fall sein wird, obwohl es heute für einige ‚aus Furcht vor den Juden‘ (Joh 19,38) unmöglich ist, den Namen des Patriarchen in der Kirche zu kommemorieren.“

Damit nahm der Patriarch auf mehrere Hierarchen der UOK Bezug, die sich aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine weigern, den Patriarchen in der Liturgie zu kommemorieren, und insinuiert, sie täten dies aufgrund politischen Drucks. Das beleidige ihn nicht, es sei vor allem ein Zeichen der Schwäche gegenüber diesem Druck und sehr gefährlich, denn wer im Kleinen nicht treu sei, sei es auch nicht im Großen (Lk 16,10): „Heute gedenken wir aus Angst des Patriarchen nicht, morgen könnte jemand noch mehr verlangen.“

Gegenwärtig gehe es vor allem darum, äußerem Druck kirchenferner Kräfte zu widerstehen, welche die geistige Einheit der Völker der Ukraine, von Belarus und Russland zerstören wollen: „Wir beten und werden weiterhin für die UOK beten, dass der Herr unseren Bischöfen und unseren Geistlichen Verständnis und Kraft schenkt, auf dass keine schändlichen, beleidigenden Beinamen, die heute die Träger radikaler Ansichten unseren orthodoxen Gläubigen auferlegen und sie einer Art Komplizenschaft mit den ‚Okkupanten‘ beschuldigen, dass all dieser Schmutz ihre Seelen nicht befleckt.“

Nach einem Friedensgebet übergab der Patriarch Kirill dem anwesenden Hauptkommandanten der Streitkräfte der Rosgvardija und Armeegeneral Viktor Zolotov für die Hauptkirche der Rosgvardija im Moskauer Vorort Balaschicha eine Augustovsker Gottesmutterikone, die an eine Erscheinung der Gottesmutter vor Soldaten vor einer erfolgreichen Schlacht bei der polnischen Stadt Augustów im Jahr 1914 erinnert: „Möge dieses Bild die jungen Soldaten inspirieren, die den Eid ablegen und sich auf den Weg machen, das Vaterland zu verteidigen.“

Zolotov bedankte sich und sprach gemäß offiziellem Narrativ von der Militäroperation in der Ukraine, die der Befreiung des Landes von Nazis diene: „Ich möchte Ihnen und allen anwesenden Gemeindemitgliedern hier mitteilen, dass die Truppen der Nationalgarde zusammen mit den Streitkräften der Russischen Föderation alle Aufgaben erfüllen, die ihnen im Rahmen dieser Militäroperation zugewiesen wurden. Und ich möchte sagen: Ja, es geht nicht so schnell, wie wir es gerne hätten, aber das liegt nur daran, dass die Nazis sich hinter friedlichen Bürgern verstecken, hinter dem Rücken von alten Menschen, Frauen, Kindern, sie errichten Artilleriestände in Kindergärten, Schulen, Wohnhäusern. Aber wir gehen Schritt für Schritt auf unser Ziel zu, und der Sieg wird unser sein.“

An der Liturgie konzelebrierten zahlreiche orthodoxe Hierarchen, darunter Metropolit Ilarion (Alfejev), Leiter des Außenamts der ROK, Metropolit Nifon (Saykali) vom Griechisch-Orthodoxen Patriarchat von Antiochien sowie Bischof Antonije (Pantelić) von der Serbischen Orthodoxen Kirche. Zudem waren neben Zolotov weitere Vertreter hochrangiger staatlicher Stellen anwesend.

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