Montenegro: Metropolit Amfilohije nach Kreuzprozession verhört
Metropolit Amfilohije (Radović) von Montenegro ist erneut von der Polizei verhört worden, nachdem die Serbische Orthodoxe Kirche (SOK) ihre regelmäßigen Kreuzprozessionen wiederaufgenommen hat. Die Polizeibehörde der Hauptstadt Podgorica hielt den Metropoliten während sechs Stunden zu einem „Informationsgespräch“ fest, weil sie ihm die Organisation einer Massenkundgebung am 22. Juni im Widerspruch zu den geltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie vorwirft. Mit den Kreuzprozessionen protestiert die Kirche gegen das im Dezember 2019 verabschiedete Religionsgesetz, von dem sich die SOK im Land diskriminiert fühlt. Sie befürchtet, dass ihr mithilfe des Gesetzes Immobilien und Grundstücke weggenommen werden sollen.
Die Anwälte des Metropoliten, der die SOK in Montenegro – die größte Glaubensgemeinschaft des Landes – leitet, warfen dem Staatsanwalt „unprofessionelles und unkorrektes“ Verhalten vor. Er habe das Verhör künstlich in die Länge gezogen, was in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters des 83-jährigen Amfilohije mehr als unprofessionell sei. Es handle sich um einen wiederholten Schritt der „Schikane der Geistlichen“ der SOK in Montenegro, zudem sei es darum gegangen, „Macht auf eine inakzeptable Weise zu demonstrieren“. Die Polizisten jedoch hätten sich dem Metropoliten gegenüber korrekt und respektvoll verhalten.
Nachdem die Kreuzprozessionen aufgrund der Coronavirus-Pandemie seit März ausgesetzt worden waren, beschloss der Bischofsrat der SOK in Montenegro, ab dem 14. Juni wieder erste Prozessionen durchzuführen, allerdings nur mit Erlaubnis der Polizei. Nach der ersten Prozession in Podgorica kündigte Amfilohije vor den versammelten Gläubigen an, die Versammlungen weiter durchzuführen, solange das „gottlose Gesetz“ in Kraft sei.
Am 20. Juni rief Metropolit Amfilohije die Gläubigen in einer Mitteilung auf sich an den Prozessionen, aber auch im Alltag an die hinlänglich bekannten Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit zu halten. Denn „wir sind verpflichtet, indem wir uns schützen, auch die anderen zu schützen“. Zugleich rief er die Staatsanwaltschaft, Polizeiverwaltung und andere Sicherheitsorgane auf, sich vor und nach den Prozessionen „gesetzeskonform zu verhalten und nicht, wie vorige Woche und davor, illegale Akte gegen Geistliche, Mönche und Gläubige aufgrund ihrer Teilnahme an Prozessionen zu verüben“. Sie seien verpflichtet, die verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte und Freiheiten zu schützen, nicht zu brechen.
Besondere Empörung rief bei der SOK zudem der Abbruch eines Wohnhauses des im Bau befindlichen Nonnenklosters des Hl. Basilius von Ostrog in Briska Gora nahe Ulcinj hervor. Erst am 9. Mai hatte Amfilohije die Gründungsliturgie gefeiert, der Grundstein für das Klostergebäude wurde gelegt und eine Äbtissin bestimmt. Während am 10. Juni das Wohngebäude abgerissen wurde, ließ die Polizei niemanden in die Nähe des Klosters. Die Kirche wertete dies als Reaktion auf ihre Ankündigung, die Protestprozessionen zum 14. Juni wiederaufzunehmen. Amfilohije bezeichnete das Vorgehen als „noch nie dagewesenes Verbrechen“, damit verspiele die montenegrinische Regierung den Segen des Hl. Basilius. Zudem sagte er in Zusammenhang mit dem Abriss, dass dies eine Fortsetzung der historischen Zerstörung von Heiligtümern durch Besetzer sei. Außerdem wies er darauf hin, dass in der Region von Ulcinj Tausende Gebäude ohne jegliche Bewilligung gebaut worden seien.
Wegen ihrer Beteiligung oder Verantwortung für Prozessionen wurden zwei weitere Geistliche der SOK in Montenegro, Željko Ćalić aus Danilovgrad und Mirčeta Šljivančanin, der Sekretär der Kathedrale in Podgorica, für jeweils 72 Stunden festgehalten. Weitere Geistliche aus Podgorica, Danilovgrad, Bar, Budva, Pljevlja und weiteren Ortschaften wurden zum Verhör geladen. Ein Geistlicher aus Ulcinj soll ausgewiesen werden, wogegen eine Petition lanciert wurde. Schon im Mai waren Bischof Joanikije (Mićović) von Budimlje und Nikšić und acht Geistliche nach einer spontanen Prozession im Widerspruch zu den geltenden Corona-Regelungen verhaftet und 72 Stunden festgehalten worden. Die Hauptuntersuchung ihres Falls ist inzwischen auf den 16. Juli festgesetzt worden. (NÖK)
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