Zum Hauptinhalt springen

Tschechien/Ungarn: Neuer Wirbel um Metropolit Ilarion

20. November 2025

Metropolit Ilarion (Alfejev), der frühere Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, steht erneut im Mittelpunkt eines Skandals. Tschechische und ungarische Medien veröffentlichten einen Videoclip, in dem zu sehen ist, wie Metropolit Ilarion in einem Schießstand mit einer Pistole schießt. Laut den Medien befindet sich der Schießstand in der Lubjanka, dem Hauptquartier des russischen Geheimdiensts FSB in Moskau. Die Aufnahme war schon vor einem Jahr in einem Video des YouTube-Kanals von Ilarions früherem Mitarbeiter Georgij Suzuki zu sehen, der ihm sexuelle Übergriffe und eine ganze Reihe weiterer Verfehlungen vorwirft. In dem Video unterstellt Suzuki Metropolit Ilarion unter anderem Verbindungen zu den russischen Geheimdiensten.

Infolge des Skandals aufgrund von Suzukis Anschuldigungen, die im Juli 2024 bekannt geworden waren, war Ilarion Ende Dezember 2024 als Leiter der Eparchie Ungarn abgesetzt und in den Ruhestand versetzt worden, als Dienstort wurde ihm die Kirche der heiligen Apostel Petrus und Paulus in Karlovy Vary in Tschechien zugewiesen. Der Vorsteher der Kirche, Erzpriester Nikolaj Lischtschenjuk, war wegen politischer Aktivitäten 2024 aus Tschechien ausgewiesen worden. Die scheidende Regierung von Petr Fiala bereitet offenbar Sanktionen wegen Verbindungen zu russischen Sicherheitsdiensten gegen Metropolit Ilarion vor. Laut tschechischen Medien unterstützt der Sieger der Parlamentswahlen, Andrej Babiš, dieses Vorhaben. Ilarion sprach gegenüber russischen Medien von Druck seitens der tschechischen Behörden auf die ROK. Die Behörden hätten versucht, der ROK die Kirche in Karlovy Vary wegzunehmen. Dies sei daran gescheitert, dass die Kirche in das Eigentum der Eparchie Ungarn der ROK überführt worden sei.

Die BBC befragte Metropolit Ilarion in einem am 9. November veröffentlichten Interview (ca. 28. bis 34. Minute) zu seiner Haltung zum Ukraine-Krieg, zu Georgij Suzuki, seiner Karriere und seiner Beziehung zu russischen Geheimdiensten. Dabei bekam Ilarion Gelegenheit sich zu rechtfertigen, ohne dass der Interviewer kritische Nachfragen gestellt hätte. Zum Krieg sagte er lediglich, jeder Krieg sei eine „Tragödie“ und die Kirche stehe „immer auf der Seite der Leidenden“. Er beteuerte, nie für irgendeinen Geheimdienst, ob russisch oder eines anderen Landes, gearbeitet zu haben. Die Arbeit für die Kirche sei nicht mit der Arbeit für Nachrichtendienste vereinbar, betonte Metropolit Ilarion, es seien zwei völlig verschiedene Arten von Gefolgschaft. Die Journalistin und Orthodoxie-Expertin Ksenia Luchenko verweist in diesem Zusammenhang auf die allgemein bekannten zahlreichen Fälle von Kollaboration zwischen Geistlichen und Geheimdiensten in der Sowjetunion. Angesprochen auf seine Versetzung nach Ungarn erklärte Ilarion, die ROK weise ihren Mitarbeitern ihre Posten zu, diese würden nicht selbst über ihre Dienstorte entscheiden, und das sei eine Stärke der Kirche. Er werde loyal zu Patriarch Kirill oder einem allfälligen Nachfolger bleiben. Suzukis Vorwürfe wies er erneut als Verleumdung zurück.

Unterstützung erhielt Ilarion vom Rowan Williams, dem früheren Erzbischof von Canterbury. In einem Statement gegenüber der BBC äußerte er die Meinung, Ilarion habe die kriegsunterstützende Position des Moskauer Patriarchats nicht lautstark vertreten und weiter Kontakte ins Ausland gepflegt, wobei er auch die Empörung anderer Kirchen habe nachvollziehen können. Angesichts von „Putins Regime ist es nicht überraschend, dass es Bemühungen gab, seinen Ruf zu schädigen“, heißt es in Williams‘ Statement weiter. Der Druck auf Geistliche, dem Kurs des Kremls zu folgen, sei immens, und vielen sei nichts anderes übriggeblieben, als die ROK zu verlassen. Luchenko weist diese Interpretation von Ilarion als Opfer der russischen Politik zurück, zudem wirft sie die Frage nach möglichen Hintermännern im Skandal um Suzuki und Ilarion auf. (NÖK)