Ukraine: Keine Annäherung im ukrainischen Kirchenstreit
Im Streit um die Zuerkennung der Autokephalie an die Ukrainische Orthodoxe Kirche zeichnet sich weiterhin keine Lösung ab. Der Hl. Synod der Ukrainischen Orthodoxen Kirche–Moskauer Patriarchat (UOK–MP) hat die beiden vom Ökumenischen Patriarchat entsandten Exarchen aufgerufen, das Land zu verlassen. Den Entscheid Konstantinopels verurteilte der Hl. Synod als „skrupellose Einmischung“ in die inneren Angelegenheiten der Ukrainischen Orthodoxen Kirche.
In seiner Erklärung vom 25. September rief der Hl. Synod der UOK–MP Patriarch Bartholomaios auf, diese „Einmischung“ zu beenden und das kanonische Territorium der Ukrainischen Orthodoxen Kirche nicht zu verletzten. Die Tätigkeit der beiden Exarchen sei nicht vom Kirchenrecht gedeckt und verletze den „interkonfessionellen Frieden“ in der Ukraine. Daher müssten sie umgehend das kanonische Territorium der Ukrainischen Orthodoxen Kirche verlassen. Den Bischöfen der UOK–MP ist es ab sofort untersagt, mit Hierarchen des Ökumenischen Patriarchats zu konzelebrieren. Alle Gläubigen sind zudem aufgerufen, verstärkt für den Erhalt der „Einheit der Heiligen Orthodoxie“ zu beten. Außerdem verurteilte der Hl. Synod die ukrainischen Gesetzesprojekte Nr. 4128, 4511 und 5309, weil sie die juristische Liquidierung der UOK–MP zum Ziel hätten.
Erzbischof Job (Getcha) vom Ökumenischen Patriarchat kommentierte den Beschluss des Hl. Synods mit den Worten, dass die UOK–MP gar kein Recht habe, die Exarchen des Landes zu verweisen, da sie dem Moskauer Patriarchat unterstehe und deshalb kein Subjekt dieses Dialogs sei. Auch das Kulturministerium der Ukraine bezeichnete die Landesverweisung der Exarchen durch die UOK–MP öffentlich als gesetzeswidrig.
Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios hat am 23. September nochmals betont, dass die Verleihung der Autokephalie bald erfolgen wird. Er nahm die Anwesenheit eines tschechischen Theologen bei einem Gottesdienst in Istanbul zum Anlass, um daran zu erinnern, dass die Orthodoxe Kirche von Tschechien und der Slowakei ihre Autokephalie 1998 als bisher letztes Glied der orthodoxen Kirchenfamilie vom Ökumenischen Patriarchat erhalten hat: „Jetzt ist die Ukraine an der Reihe, die, wie ich hoffe, den Status der Autokephalie in nächster Zeit erhalten wird, ungeachtet aller existierender Hindernisse, und das geschieht, weil sie ein Recht hat darauf. [...] Das Recht der Verleihung des Status der Autokephalie gehört ausschließlich unserem Ökumenischen Patriarchat, so wie es mit allen neuen orthodoxen Kirchen geschehen ist, beginnend mit Russland im 16. Jahrhundert bis zur Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei [...] Drohungen erschrecken uns nicht.“
Auf die Frage, ob die Russische Orthodoxe Kirche mit ihrer kategorischen Haltung nicht Gefahr laufe, isoliert zu werden, antwortete Metropolit Ilarion (Alfejev), der Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats, in einem Interview: „Die Russische Kirche muss sich vor keiner Isolation fürchten. Wenn Konstantinopel mit seinen antikanonischen Handlungen fortfährt, begibt es sich selbst abseits des kanonischen Raums, abseits jenes Verständnisses kirchlicher Struktur, das die Orthodoxe Kirche auszeichnet.“ Er kritisiert zum wiederholten Mal die „papistischen Anmaßungen“ des Ökumenischen Patriarchats, das diesen Beschluss ohne die Absprache mit den anderen orthodoxen Lokalkirchen gefällt habe.
Regula Zwahlen
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