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Belarus: Lukaschenka trifft Religionsvertreter nach Pseudo-Wahl

13. Februar 2025

Alexander Lukaschenka hat nach der von EU als „Scheinwahl“ bezeichneten Präsidentschaftswahl am 26. Januar 2025 Vertreter von acht belarusischen Religionsgemeinschaften zum Gespräch getroffen, um auch den Kontakt zu nicht orthodoxen Konfessionen zu vertiefen. Die Belarusische Orthodoxe Kirche (BOK), deren Oberhaupt an dem Treffen ebenfalls anwesend war, lade ihn immer zu Feiertagen ein, bemerkte Lukaschenka, nun möchte er auch andere Kirchen – „vielleicht nicht gerade zu Weihnachten“ – besuchen. „Damit wir uns in den Zentren Eurer Heiligtümer treffen werden – deshalb schlage ich Ihnen auch vor nachzudenken, wo wir Zentren unserer Konfessionen schaffen könnten“, sagte der offiziell zum Wahlsieger erklärte Lukaschenka weiter.

Das Treffen mit den Religionsvertretern war laut Lukaschenka für die Zeit vor den Präsidentschaftswahlen geplant gewesen. Er habe aber entschieden, es auf die Zeit nach der Wahl zu verschieben, damit es nicht wie eine „politische Aktion“ aussehe, um die Kirchen im Wahlkampf zu benutzen. Über die Wahlen sagte Lukaschenka, dass er davon geträumt habe, dass sie so verliefen. Alle, die zur Wahlbeobachtung angereist seien, seien „angenehm überrascht“ von der unvergleichlichen Durchführung gewesen. An den römisch-katholischen Erzbischof Iosif Staneuski von Minsk gewandt, betonte Lukaschenka seinen Respekt für Papst Franziskus und bat, ihm seine guten Wünsche zu übermitteln. Franziskus sei ein „starker Mensch“, der direkt sagen könne, was er denke. Er glaube fest, dass die Zeit für ein Treffen zwischen ihm und dem Papst kommen werde.

Der Leiter der BOK, Metropolit Veniamin (Tupeko) von Minsk, nutzte die Gelegenheit, Lukaschenka noch einmal zur Wahl zu gratulieren, diese sei „für uns alle wichtig und bedeutend“. Schon direkt nach der Wahl hatte Veniamin gratuliert und Lukaschenka attestiert, dass während seiner inzwischen 30-jährigen Präsidentschaft „epochale Veränderungen“ Belarus geformt hätten. Das Land habe „wahrhaftige wirtschaftliche und politische Souveränität“ errungen. Der Staat beruhe auf einer „spirituell reifen Gesellschaft“, die sich an ihre Geschichte erinnere und diese würdige, „gute Traditionen ehrt und bewahrt“ und einen würdigen Beitrag zum Allgemeinwohl leiste. Auch Patriarch Kirill, das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK), in deren Struktur die BOK ein Exarchat bildet, gratulierte Lukaschenka zu seinem „überzeugenden“ Sieg.

Metropolit Veniamin ist einer von mindestens sieben Hierarchen der BOK, die vorzeitig ihre Stimme abgaben. Am Wahlsonntag, dem 26. Januar, wählte zudem Erzbischof Ioann (Choma) von Brest. Die Teilnahme von Geistlichen an der Präsidentschaftswahl helfe dem Regime einen Anschein von Legalität zu erwecken, gab die oppositionelle Aktivistengruppe „Christliche Vision“ zu bedenken. Erzbischof Antonij (Doronin) von Hrodna wurde bei der vorzeitigen Stimmabgabe am 24. Januar von einem lokalen Fernsehsender gefilmt. Er erklärte, er werde beten, dass die Wahlen stattfinden, denn sie seien der „wichtigste Tag für jeden Bürger der Republik Belarus“. Auch die vorzeitige Stimmabgabe von Bischof Amvrosij (Schevtsov) von Barysaus wurde medial verbreitet.

In einer Videoserie einer Lokalzeitung von Hrodna zur vorzeitigen Stimmabgabe tauchten die Priester Jurij Martinovitsch, Pressesekretär der römisch-katholischen Diözese Hrodna, und Igor Daniltschik, Pressesekretär der orthodoxen Eparchie Hrodna, auf. Beide begründeten ihre vorzeitige Stimmabgabe mit ihrer sonntäglichen Arbeitsbelastung. Martinovitsch hatte schon im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2020 die Katholikinnen und Katholiken dazu aufgerufen, für „ihr Land und die Menschen, die es führen“, zu beten, was als Parteinahme für Lukaschenka verstanden werden konnte.

Am Wahlsonntag schritten zudem die Nonnen des Klosters der Hl. Elisabeth in Minsk, das eines der Zentren der Unterstützung des russischen Angriffskriegs in Belarus ist, geschlossen zur Wahl. Nach der Liturgie begaben sie sich in einer organisierten Kreuzprozession mit Bittgebet zum Wahllokal, was sie auf Video festhielten. Die Nonne Kallinika (Neljubina) berichtete begeistert, wie die Schwestern des Klosters ihre Bürgerpflicht „konziliar“ erfüllt und sie mit einem Gebet verbunden hätten. Laut Berichten waren alle Studierenden des Geistlichen Seminars in Minsk von dessen Administration aufgefordert, vorzeitig zu wählen. Das galt insbesondere für Studierende, die sich zurzeit aufgrund der Winterferien nicht im Studentenwohnheim befanden. (NÖK)

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