Belarus: Regimekritischer Erzbischof Artemij gestorben
Am 22. April 2023 ist Erzbischof Artemij (Kischtschanka) gestorben, der von 1996 bis 2021 die Eparchie von Hrodna und Volkovysk geleitet hatte. Artemij war der einzige Bischof der Belarusischen Orthodoxen Kirche (BOK), die ein Exarchat innerhalb der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) bildet, der sich nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen 2020 auf die Seite der Protestierenden gestellt und die Regierung offen kritisiert hatte. Zudem verurteilte er als einziger Bischof in Belarus den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. 2021 war er angeblich wegen gesundheitlicher Gründe in den Ruhestand versetzt worden.
Artemij wurde am 25. April 1952 in Minsk geboren und absolvierte seine geistliche Ausbildung im damaligen Leningrad. Ab 1982 diente er in Belarus, zunächst in Minsk, ab 1996 als Bischof in Hrodna. Daneben setzte er in Warschau seine theologische Ausbildung fort, leitete von 2002 bis 2014 die Jugendbewegung der BOK und war von 2004 bis 2014 Dozent am Theologischen Institut der staatlichen Universität in Minsk.
Die oppositionelle Gruppe Christliche Vision würdigte nicht nur Artemijs regimekritische Haltung, sondern auch seinen langjährigen Bischofsdienst. Er habe seine Eparchie in einem Ausmaß entwickelt, das für die BOK beispiellos sei. So seien die Geistlichen seiner Eparchie überdurchschnittlich gebildet, er habe ein einzigartiges Gesangsfestival kuratiert und den Bischofssitz wieder aufgebaut. Als einzige in der BOK hat die Eparchie von Hrodna eine Abteilung für Ökologie. Zudem strich die Gruppe die Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen von Hrodna sowie Artemijs Lehrtätigkeit und seine „hervorragenden und gehaltvollen“ Predigten hervor. Außerdem habe er Initiativen zur Belarusifizierung der Gottesdienste und des Gemeindelebens unterstützt.
Der „rote Faden“ von Artemijs Dienst sei „das Thema der Freiheit“ gewesen, „die Freiheit, allen gegenüber überall und immer die Wahrheit zu sagen, den Menschen und den Machtinstanzen, den Feinden und den Freunden, den Eigenen und den Fremden“. Zudem sei es seine Überzeugung gewesen, dass es besser sei, dafür zu leiden und verfolgt zu werden, als diese Freiheit aufzugeben. Nach dieser Devise habe der Erzbischof selbst gelebt und damit anderen als Beispiel gedient. Von seinen Bischofskollegen sei er aber mit seiner Versetzung in den Ruhestand zugunsten der Regierung geopfert worden.
In seinen Predigten hatte Artemij den Behörden aufgrund der gefälschten Präsidentenwahlen 2020 offen „Fälschungen“ und „Lügen“ vorgeworfen. Er prangerte die Ereignisse als „Gesetzlosigkeit“ an und verurteilte die Gewalt gegen Demonstranten scharf. Den Verantwortlichen warf er vor, nicht nach dem Evangelium zu handeln. Schon in den 20 Jahren zuvor vertrat er ziemlich offen eine kritische Haltung gegenüber dem Staat und ließ sich – wiederum als einziger Bischof der BOK – 2020 nicht im Wahlkampf vereinnahmen.
Am 23. April war Artemij in der Kathedrale von Hrodna aufgebahrt, am nächsten Tag leitete sein Nachfolger die Aussegnung. Beerdigt wurde er in Minsk, wo der Leiter der BOK, Metropolit Veniamin (Tupeko) von Minsk, die Beerdigungszeremonie leitete. (NÖK)
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