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Belarus: Orthodoxer Telegram-Kanal als extremistisch eingestuft

03. November 2023

In Belarus gilt seit dem 20. Oktober 2023 der Telegram-Kanal „Belarusische orthodoxe Gemeinde in Vilnius“ als extremistisch. Das hat das Gericht der Region und Stadt Baranovitschy im Westen des Landes entschieden. Die Gemeinde wurde von den belarusischen Geistlichen Georgij Roj und Alexander Kuchta gegründet, die den russischen Krieg gegen die Ukraine und die Repressionen in Belarus kritisierten. Wegen ihrer Ansichten fühlten sie sich in Belarus bedroht und emigrierten nach Litauen, wo sie eine Gemeinde gründeten, die ins Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel aufgenommen wurde.

Die oppositionelle Gruppe „Christliche Vision“ sammelt alle Fälle, in denen religiöse Gemeinschaften aufgrund von „Extremismus“ verfolgt werden, auf ihrer Website. Die Informationen sind russisch und englisch abrufbar. Seit den Massenprotesten gegen die gefälschten Präsidentenwahlen im August 2020 „säubert“ das belarusische Regime die Medienlandschaft, indem es unabhängige Medien, Websites, Telegram-Kanäle, soziale Netzwerke sowie Symbole, die mit den friedlichen Protesten zusammenhängen, als „extremistische Materialien“ einstuft. Dadurch können Personen juristisch verfolgt werden, die Informationen aus diesen Quellen oder Informationen mit dem Logo einer solchen Quelle teilen.

Auch die Informationskanäle belarusischer religiöser Akteure oder Gemeinschaften würden als extremistisch eingestuft, erklärt die Gruppe Christliche Vision. So könne die Verbreitung von Informationen in Belarus erschwert werden, denn wenn in den sozialen Netzwerken oder auf einem Mobiltelefon festgestellt werde, dass entsprechenden Kanälen gefolgt oder ihre Inhalte geteilt würden, könne das für die betreffende Person Konsequenzen haben. So versuchten die Behörden, den Einfluss religiöser Anführer, Aktivistinnen und Gemeinschaften zu mindern. Zu ihrer eigenen Sicherheit dürften Menschen in Belarus als extremistisch eingestufte Informationsquellen nicht abonnieren, was einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit darstelle. Aktuell listet die Gruppe neben dem Telegram-Kanal der belarusischen orthodoxen Gemeinde in Vilnius sieben weitere religiöse Informationsquellen, darunter ihre eigenen Kanäle.

Die römisch-katholische Kirche hingegen hatte die Möglichkeit, sich im Staatsfernsehen zu äußern. Am 23. Oktober wurde auf Belarus 1 ein Interview mit Erzbischof Juzaf Staneuski von Minsk-Mohiljou, dem Oberhaupt der katholischen Kirche in Belarus, ausgestrahlt. In der Sendung mit dem Titel „Über den Glauben und die Kirche ohne Politik“ stellte die Moderatorin dem Erzbischof auch Fragen zu heiklen Themen, wie dem Einfluss Polens auf die katholische Kirche in Belarus, der Gottesdienstsprache oder Erklärungen aus dem Westen über den Druck auf die Katholik:innen in Belarus.

Die Gruppe Christliche Vision vermutet, dass die Behörden in ihrer Propaganda die katholische Kirche wieder integrieren wollen. Ihre Gläubigen sollen nicht mehr als ungehorsame Rebellen, die sich gegen Gewalt und für eine Lösung der politischen und gesellschaftlichen Krise aussprechen, dargestellt werden, sondern als Teil der „monolithischen Gesellschaft“, die der Regierung dankbar ist, still für „Frieden und Wohlergehen“ betet und sich nicht in die Politik einmischt. Die katholische Kirche bemühe sich wohl, sich der „neuen Realität“ anzupassen, um zu überleben, glaubt die Gruppe. Dazu tritt sie nicht in eine offene Konfrontation mit dem Regime, unterstützt es aber auch nicht aktiv.

Der Vorgänger von Erzbischof Staneuski, Tadeusz Kondrusiewicz, hatte 2020 die Demokratiebewegung zunächst unterstützt. Dafür wurde ihm vom Regime nach einer Auslandsreise während Monaten die Wiedereinreise nach Belarus verweigert. Anfang 2021 nahm Papst Franziskus das altersbedingte Rücktrittsgesuch von Kondrusiewicz an. (NÖK)

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