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Ukraine: Religiöse Initiativen zu Evakuierungen aus Mariupol

05. Mai 2022

Am 1. Mai ist es gelungen, Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in Mariupol zu evakuieren. Die UN bestätigte die Evakuierungsaktion, die vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und der UN in Abstimmung mit den Konfliktparteien koordiniert worden war. Frauen, Kinder und ältere Menschen, die sich seit fast zwei Monaten unter dramatischen Bedingungen in dem schwer beschädigten Stahlwerk aufgehalten hatten, konnten nach UN-Angaben Mariupol in Richtung Zaporizhzhja verlassen. In dem Werk aus Sowjetzeiten haben sich die letzten ukrainischen Verteidiger der massiv umkämpften Stadt verschanzt, in der Fabrikanlange halten sich aber auch zahlreiche Zivilisten auf.

Papst Franziskus hatte sich auf diplomatischem Weg mehrfach ohne Erfolg bei der russischen Regierung für einen humanitären Korridor zum Abzug der Zivilbevölkerung aus Mariupol eingesetzt, wie er der italienischen Zeitung Il Messagero gegenüber erklärte. Russland habe dem Vatikan alle drei Male zu verstehen gegeben, es werde nicht für den sicheren Abzug der Zivilisten garantieren. Das erste Mal hatte Papst Franziskus Ende März um einen humanitären Korridor gebeten. An der Operation hätten ein nicht genannter orthodoxer Bischof und der Apostolische Nuntius in der Ukraine, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, teilnehmen sollen. Den zweiten Versuch unternahm er Mitte April, im Hinblick auf Ostern, aber auch damals habe Russland Sicherheitsgarantien verweigert. Beim dritten Versuch Ende April schlug er vor, mit einem Schiff des Vatikans Zivilisten aus Azovstal wegzubringen.

Im Vorfeld des orthodoxen Osterfests hatte sich auch Metropolit Onufrij (Berezovskij), das Oberhaupt der dem Moskauer Patriarchat unterstehenden Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK), für eine Evakuierungsmission aus Mariupol eingesetzt. In einer Botschaft vom 21. April erklärte er seine „tiefe Trauer“ über die Ereignisse in der umkämpften Stadt und die Notwendigkeit, diejenigen, die in Mariupol geblieben und in eine humanitäre Katastrophe geraten seien, zu retten. Die Verwundeten bräuchten dringend medizinische Hilfe und Getötete müssten ihren Angehörigen übergeben werden. Daher sei die UOK „mit den Kräften ihres Episkopats, ihren Geistlichen, Mönchen, Nonnen und Gläubigen bereit, eine Gebetsprozession von der Stadt Orechova in der Region Zaporizhzhja zur Fabrik Azovstal in Mariupol zu organisieren“. Das Ziel sei, dringend benötigte Hilfe zu bringen und Zivilisten wegzubringen, zudem könnten verwundete Soldaten weggebracht und Gefallene mitgenommen werden. Zudem rief er zu einer Feuerpause während der orthodoxen Osterfeiertage vom 22. bis 24. April auf, um einen humanitären Korridor und die Prozession zu ermöglichen. Am 22. April hatte auch der Allukrainische Rat der Kirchen und religiösen Organisationen zur Rettung der im Stahlwerk eingeschlossenen Menschen aufgerufen. Er forderte „jeden russischen religiösen Akteur“, unabhängig von seiner religiösen Zugehörigkeit, auf, sich mit „öffentlichen oder nicht öffentlichen Bitten“ um die Evakuierung der Zivilisten und verwundeten Soldaten aus dem Stahlwerk an die russischen Behörden zu wenden.

Die jetzige erfolgreiche Evakuierung schreibt sich das Moskauer Patriarchat zugute. „Mit dem Segen von Patriarch Kirill“ sei Metropolit Mitrofan (Nikitin) von Horlivka und Slovjansk aus der Region Donezk an der Rettungsaktion beteiligt gewesen. Über 100 Personen, darunter Kinder, seien in zwei Gruppen aus dem Stahlwerk gebracht worden, wobei sich viele von ihnen zunächst gefürchtet hätten, das Fabrikgelände zu verlassen. Die Anwesenheit des Metropoliten der UOK, der die Evakuierten als einer der ersten empfangen habe, habe aber geholfen, die Angst zu überwinden und sich zur Evakuierung zu entschließen, teilte die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) mit. Vladimir Legojda, der Leiter der Synodalabteilung der ROK für die Beziehungen der Kirche mit der Gesellschaft und den Medien, bezeichnete den Abzug der Zivilisten als „wichtiges Resultat“ von Verhandlungen mit Beteiligung internationaler Organisationen. Er wies darauf hin, dass die ROK schon früher an Gefangenenaustauschen in dem Gebiet beteiligt gewesen sei. (NÖK)

NÖK Nachgefragt: Sergii Bortnyk zu innerkirchlichen Debatten in der Ukrainischen Orthodoxen Kirche

Nach 70 Tagen Krieg geht Sergii Bortnyk auf die Bemühungen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) um einen humantären Korridor aus Mariupol, die innerkirchlichen Debatten um den zukünftigen kanonischen Status der UOK sowie die Idee des Papstes zu einer Reise nach Moskau ein.


Choice as the New Reality: Obstacles for Consensus between the UOC and the OCU

Georgiy Taraban skizziert die innerkirchlichen Debatten um den zukünftigen kanonischen Status der Ukrainischen Orthodoxen Kirche. Weder ein Verbleib beim Moskauer Patriarchat ist möglich noch eine einfache Vereinigung mit der Orthodoxen Kirche der Ukraine.


ÖRK sollte ukrainische Orthodoxe an der Vollversammlung sichtbar machen

Die Appelle des ÖRK zum Ukraine-Krieg haben in der Russischen Orthodoxen Kirche nichts bewirkt. Katharina Kunter skizziert, wie der ÖRK vor allem angesichts der bevorstehenden Vollversammlung mit russischer Beteiligung vorgehen könnte.


Das Kreuz von Abel und das Kreuz von Kain sind verschiedene Kreuze

Das gemeinsame Tragen des Kreuzes durch eine Ukrainerin und eine Russin beim Kreuzweg im Kolosseum hat bei vielen Ukrainern Empörung ausgelöst. Myroslav Marynovych kritisiert eine Gleichsetzung von Opfern und Tätern.


Some Reflections on the Declaration on the “Russian World” Teaching

Andrey Shishkov, selbst Unterzeichner des Statements gegen die Doktrin der "Russischen Welt", teilt seine kritischen Überlegungen zu drei Aspekten des Dokuments und plädiert für seine Verfeinerung und Weiterentwicklung.


Appeal of the Representatives of Ukrainian Evangelical Theological Educational Institutions Regarding the War of the Russian Federation against Ukraine

Vertreter meherer evangelischer theologischer Bildungseinrichtungen in der Ukraine haben den russischen Krieg gegen die Ukraine verurteilt, aber auch das teilweise Schweigen ihrer Glaubensgeschwister in Russland und internationaler Partner.


A statement of solidarity with the Orthodox declaration on the “Russian World” (russkii mir) teaching, and against Christian Nationalism and New Totalitarianism

Mit dem Statement unterstützen nicht-orthodoxe Theologinnen und Theologen die Ablehnung des Konzepts der "Russischen Welt", die seit Beginn des Kriegs in der Ukraine von orthodoxer Seite wiederholt zu hören war.


Butscha. Wo war Gott?

Angesichts der Gräuel in Butscha sucht Erzpriester Georgiy Kovalenko, Rektor der Offenen Orthodoxen Hl. Sophia-Universität, im Glauben nach Antworten auf die Frage: "Wo war Gott".


Eine Einladung an Papst Franziskus, nach Kiew zu reisen

Ein Besuch von Papst Franziskus in Kiew wäre ein symbolträchtiger Schritt, der zum Frieden beitragen könnte, findet Konstantin Sigov. Zudem sei es unabdingbar, diejenigen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätten, vor Gericht zu stellen.


The UOC-MP at the Crossroads

Der russische Angriffskrieg hat die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK), die dem Moskauer Patriarchat untersteht, in eine schwierige Lage gebracht. Mit Blick auf die ukrainische Orthodoxie im Zweiten Weltkrieg skizziert Nicholas Denysenko Optionen der UOK und ihre Schwierigkeiten.


Die Kirche muss die Wahrheit bezeugen

Zahlreiche Studierende und Mitarbeitende der Ukrainischen Katholischen Universität in Lviv engagieren sich für vom Krieg Betroffene, erklärt Pavlo Smytsnyuk. Die Kirchen in der Ukraine haben zu einem intensiven ökumenischen Miteinander gefunden.


NÖK Nachgefragt: Sergii Bortnyk zu vier Wochen Krieg in der Ukraine

Einen Monat nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine befindet sich Sergii Bortnyk weiterhin in der Ukraine und berichtet über die aktuelle Lage vor Ort, die Aktivitäten der Kirchen aus dem In- und Ausland sowie die interkofessionelle Zusammenarbeit.


Ukrainian Nationhood, "Russkii Mir,” and the Abuse of History

Mehr als die Konzeption der "Russischen Welt" ist die Ablehnung der Existenz einer ukrainischen Nation und Staatlichkeit ein wichtiger Faktor für die Rechtfertigung des russischen Kriegs gegen die Ukraine, argumentiert Thomas Bremer.


Stellungnahme des "Arbeitskreises Orthodoxer Theologinnen und Theologen im deutschsprachigen Raum

Der Arbeitskreis orthodoxer Theologinnen und Theologen in Deutschland, Österreich und der Schweiz verurteilt die Instrumentalisierung des Glaubens und solidarisiert sich mit Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine.


Vom "homo sovieticus" zum "homo dignus"

Der ukrainische Philosoph Konstantin Sigov hat sich entschieden, als Zeuge in der Ukraine zu bleiben. Er berichtet vom Abgleiten seines Landes in den Krieg, vom Widerstand seines Volkes, von seinem eigenen Widerstand und dem seines Sohnes.


Krieg in der Ukraine: Ende des „byzantinischen“ Modells?

Entsetzen löst aus, auf welche Weise die Führung der Russischen Orthodoxen Kirche Putin und seinen Angriffskrieg unterstützt. Johannes Oeldemann skizziert, was der Ukraine-Krieg für die Orthodoxe Kirche langfristig bedeuten könnte.


A Declaration on the "Russian World" (Russkii Mir) Teaching

Orthodoxe Theologinnen und Theologen weltweit verurteilen in einer Deklaration die Vorstellung der "Russischen Welt", die in den letzen Jahren vom russischen Staat und Patriarch Kirill propagiert wurde. Die Lehre von der "Russsichen Welt" sei eine "Häresie".


Kirchliche Reaktionen in Belarus auf die russische Invasion in der Ukraine

Putins Krieg gegen die Ukraine wird auch von Belarus aus geführt. Natallia Vasilevich beleuchtet die Reaktionen der katholischen und orthodoxen Kirche in Belarus auf die Invasion im Nachbarland.


Das Licht der Freiheit in ukrainischen Bunkern

Das Entsetzen über den Krieg gegen die Ukraine verbindet sich bei vielen mit einem Schauder über seine vermeintlich religionspolitische Notwendigkeit. Regula M. Zwahlen schärft den Blick für solche Narrative.


The End of the Russian Orthodox Church as we Know it

In seinem Essay analysiert Sebastian Rimestad die neusten Entwicklungen im Moskauer Patriarchat in Bezug auf den Krieg in der Ukraine, insbesondere die Predigt von Patriarch Kirill am 6. März und mögliche Perspektiven für das Patriarchat.


Dorn im Auge Putins: Die Freiheit der Ukraine

In einem emotionalen Text schildert Bohdan Ohultschanskyj, Priester der Orthodoxen Kirche der Ukraine, seine Sicht auf die Entwicklungen, die zum aktuellen Krieg Russlands gegen die Ukraine geführt haben und verurteilt die imperiale Ideologie der Kirchenführung der Russischen Orthodoxen Kirche.


UCU: We demand action!

Die Ukrainische Katholische Universität in Lviv ruft dazu auf, die Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten, sie und ihre Studierenden beim Wiederaufbau zu unterstützen und Teil des Network of Solidarity and Strategic Partnership with Ukrainian Catholic University (2022–2026) zu werden.


Stellungnahme der „Gesellschaft zum Studium des Christlichen Ostens“ (GSCO) zum Krieg in der Ukraine

Die Arbeitsgemeinschaft, die mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im deutschen Sprachraum vereinigt, die sich mit dem Christlichen Osten befassen, verurteilt in ihrer Stellungnahme den Angriff Russlands auf die Ukraine und ruft zu Frieden auf.


Die Russische Orthodoxe Kirche und das Militär: Verteidiger heiliger Grenzen

In den vergangenen Jahren haben sich die Beziehungen des Militärs in Russland mit der Russischen Orthodoxen Kirche vertieft. Was das für die Rolle der Kirche und ihre friedensstiftende Mission bedeutet, erläutert Regina Elsner in einem ZOiS Spotlight.


Debatte: Russland, die Ukraine und der Westen

Der Krieg in der Ukraine wirft Fragen über Ursachen und die Rolle der Kirchen auf. Ein Kommentar von der Freiburger Dogmatikerin Barbara Hallensleben und eine Replik von Stefan Kube, Chefredakteur von "Religion & Gesellschaft in Ost und West" auf kath.ch.


Patriarch Kirill and Vladimir Putin’s Two Wars

Sergei Chapnin vergleicht die Reaktionen von Patriarch Kirill und Metropolit Onufrij auf den Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Es sei klar, dass der Patriarch seine Herde - weder das Volk in der Ukraine noch in Russland - gegen Putins aggressives Regime verteidigen könne.


Putins Traum einer Wiederbelebung der Sowjetunion ist zum Scheitern verurteilt

Konstantin Sigov berichtet, wie er den ersten Kriegstag am 24. Februar erlebt hat. Er ist überzeugt, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer wie auf dem Majdan 2013/14 zusammenstehen.


NÖK Nachgefragt: Sergii Bortnyk zum russischen Angriff auf die Ukraine

In den frühen Morgenstunden des 24. Februar hat die russische Armee die Ukraine angegriffen. Sergii Bortnyk berichtet aus Kiew von den Reaktionen der Bevölkerung, der Politik und der Kirchen auf diese beispiellose Aggression.


Kiew hält die Erinnerung wach

Konstantin Sigov berichtet über die Atmosphäre in Kiew. Der Text ist zwei Tage vor dem russischen Angriff auf die Ukraine geschrieben worden und endet mit der Frage: "Wann endlich werden sich das Mädchen aus Mariupol und der Philosoph aus Donezk in Kiew in Sicherheit fühlen?"


NÖK Nachgefragt: Kirchen zum Ukraine-Konflikt

Der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine ließ in den letzten Wochen die Sorge vor einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine wachsen. Regina Elsner vom Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) schildert die Reaktionen der orthodoxen Kirchen in der Ukraine und Russland auf die Kriegsgefahr. Das Interview wurde am 16. Februar 2022 geführt.