Belarus: Neue Repressionen gegen Religionsgemeinschaften möglich
Eine Zusammenlegung der Extremismus-Register von Belarus und Russland birgt neue Gefahren für die Religionsgemeinschaften in Belarus. So könnten die Zeugen Jehovas, die in Russland als „extremistische“ und unerwünschte Organisation eingestuft sind, künftig auch in Belarus, wo sie bisher aufgrund ihrer apolitischen Haltung nicht verfolgt wurden, als solche gelten. Allerdings könnten die Zeugen Jehovas in Belarus auch wegen des neuen Religionsgesetzes unter Druck kommen, weil sie missionieren und als Pazifisten den Militärdienst ablehnen, bemerkte die belarusische Theologin Natallia Vasilevich.
Dass die beiden Länder darauf hinarbeiten, ihre Register extremistischer Materialien und Organisationen zu kombinieren, verkündete Anfang Februar der belarusische Botschafter in Russland. Laut seinen Äußerungen wird die Idee von den Innenministerien der beiden Länder schon seit längerem diskutiert und soll bald umgesetzt werden. Belarus führt seit 2008 eine Liste mit extremistischen Materialien, darunter Verlage, Internetseiten, Kanäle in den sozialen Medien und Bücher, deren Umfang sich nach den Massenprotesten von 2020 vervielfacht hat und die inzwischen Tausende Einträge umfasst. Zudem gibt es eine Liste mit Organisationen und Individuen, die „an extremistischen Handlungen teilnehmen“. In Russland sind die Listen „extremistischer Materialien“ und „terroristischer und extremistischer Organisationen“ ebenfalls umfangreich, aber im Verhältnis zur wesentlich größeren Bevölkerung kleiner als in Belarus. In Russland gibt es auch Listen, zu denen es in Belarus keine Entsprechung gibt, so die der „ausländischen Agenten“ und der „unerwünschten“ ausländischen Organisationen. Welche Register genau zusammengeführt werden sollen, ist nicht klar.
Unterdessen gehen in Belarus die Repressionen gegen unliebsame Vertreter von Religionsgemeinschaften weiter. So wurde der orthodoxe Priester Igor Kovaltschuk nach 15-tägigem Arrest, mit dem er Anfang Februar wegen des Abonnierens „extremistischer“ Materialien bestraft worden war, nicht freigelassen. Möglicherweise hat er noch einen weiteren Arrest wegen des gleichen Tatbestands erhalten, denn die Behörden ahnden oftmals jeden Repost, Like oder jedes Abonnieren einzeln. Der protestantische Pastor Alexander Zaretskij wurde ebenfalls wegen des Verbreitens „extremistischer“ Materialien für 15 Tage inhaftiert, weil er in einem Gottesdienst für das Ende des Kriegs in der Ukraine gebetet hatte. Der Pastor und seine Gemeinde wurden wiederholt wegen dieser Haltung von den Behörden kritisiert, außerdem missfiel diesen, dass Zaretskij nicht an von ihnen organisierten politischen Veranstaltungen teilnahm. Schon 2023 erhielt Zaretskij zwei Mal nacheinander einen 15-tägigen Arrest wegen Likes und Kommentaren zu „extremistischen“ Materialien.
Zugleich ließen sich zahlreiche Geistliche im Wahlkampf für die Parlaments- und Gemeinderatswahlen in Belarus am 25. Februar einspannen, die ohne Beteiligung der Opposition und ausländische Wahlbeobachter stattfanden. Manche Geistliche ließen sich dabei von orthodoxen oder regionalen Publikationen fotografieren oder kommentierten die Scheinwahlen. Besonders aktiv waren dabei orthodoxe Geistliche, auch ihr Oberhaupt Metropolit Veniamin (Tupeko) ließ sich bei der Stimmabgabe ablichten. Einige verwiesen dabei auf die Pflicht, zu wählen, obwohl das Wählen in Belarus ein Bürgerrecht, nicht eine Pflicht ist. Aber auch katholische Priester teilten ihre Teilnahme an den Wahlen öffentlich. Dafür gab es auch negative Reaktionen von Gläubigen. (NÖK)
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