Jordanien: Orthodoxer Gipfel in Amman
Bei einem Treffen in der jordanischen Hauptstadt Amman haben Vertreter mehrerer orthodoxer Kirchen zu einem panorthodoxen Dialog aufgerufen, um innerorthodoxe Streitfragen, insbesondere mit Blick auf die kirchliche Situation in der Ukraine zu lösen. Ziel des Treffens, zu dem Patriarch Theophilos von Jerusalem eingeladen hatte, war die „Erörterung der Frage über die Einheit und Versöhnung“ in der Orthodoxie, wie es im Schlusskommuniqué der Veranstaltung heißt. Die Delegationen wollen sich wenn möglich noch in diesem Jahr erneut treffen, um „die freundschaftlichen Verbindungen durch Gebet und Dialog zu stärken“. Sie hoffen, dass künftig auch der Ökumenische Patriarch Bartholomaios und die anderen orthodoxen Lokalkirchen teilnehmen, die dem Treffen in Amman ferngeblieben sind.
Der Einladung nach Amman waren die Russische Orthodoxe Kirche (ROK), die Serbische Orthodoxe Kirche (SOK), die Rumänische Orthodoxe Kirche, die Polnische Orthodoxe Kirche und Orthodoxe Kirche von Tschechien und der Slowakei gefolgt. Geleitet wurden die Delegationen der ROK und der SOK von ihrem jeweiligen Patriarchen, von der tschechisch-slowakischen Kirche war ebenfalls ihr Oberhaupt, Metropolit Rastislav (Gont), anwesend, während die anderen Kirchen nicht von ihrem Oberhaupt vertreten wurden. Mehrere Kirchen begründeten ihre Abwesenheit mit dem exklusiven Vorrecht des Ökumenischen Patriarchen, Treffen der orthodoxen Oberhäupter einzuberufen. Die Georgische Orthodoxe Kirche hielt das Treffen für zwecklos, wenn nicht alle Kirchen teilnehmen, während das Orthodoxe Patriarchat von Antiochia seinen Konflikt mit Jerusalem als Grund für sein Fernbleiben anführte, und die Bulgarische Orthodoxe Kirche für ihre Abwesenheit gar keine Gründe angab.
Das Treffen am 26. Februar 2020 wurde als „brüderliche Versammlung“ bezeichnet, die nicht beansprucht, ein panorthodoxes Treffen zu sein. Die Abwesenheit zahlreicher Lokalkirchen mindere die Wichtigkeit des Treffens jedoch nicht, hatte Metropolit Ilarion (Alfejev), der Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats, bereits im Vorfeld erklärt. Am Panorthodoxen Konzil von Kreta 2016 hätten schließlich auch nicht alle Kirchen teilgenommen und es sei trotzdem durchgeführt worden. Im Gegensatz zu Kreta erhebe das Treffen in Amman nicht den Anspruch, panorthodox zu sein, und ziele auch nicht darauf, Entscheidungen zu treffen, sondern eine „brüderliche Diskussion angestauter Probleme und möglicher Auswege aus der Krise“ zu sein.
Der russische Patriarch Kirill verortete die Ursache der aktuellen Krise im „Verlust eines gemeinsamen Verständnisses der Ordnung der Kirche und der Eigenschaften des Vorsitzes in ihr“. Sechs besonders drängende Probleme identifizierte er in seiner Rede, darunter das Problem des Primats. Dabei kritisierte er Versuche, einen universellen Führungsanspruch des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel theologisch zu legitimieren, sowie das Fehlen eines gemeinsamen Kontrollsystems für die Handlungen des Vorsitzes. Als weitere Probleme benannte er das Fehlen eines gemeinsamen, unumstrittenen Mechanismus zur Verleihung der Autokephalie und den Versuch, orthodoxe Kirchen in „ältere“ und „jüngere“ zu unterteilen. Zudem verurteilte er Versuche, Grenzen der „kanonischen Territorien“ von Kirchen zu verändern und historische Dokumente zu widerrufen. Den Anspruch des Ökumenischen Patriarchats, Appelle aller Kirchen anzunehmen, lehnte er ebenfalls ab, da dieser als Instrument zur Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten missbraucht werden könnte. Außerdem dürfe der Ökumenische Patriarch nicht als Schiedsrichter auftreten, wenn er selbst in den Konflikt verwickelt sei. Zuletzt kritisierte Kirill die Einrichtung „stauropegialer Strukturen“ auf dem Territorium anderer Kirchen gegen deren Willen.
Metropolit Onufrij (Berezovskij), das Oberhaupt der Moskau unterstehenden Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK), äußerte sich zur Lage seiner Kirche und betonte, der „Einigungsprozess“ und die Verleihung der Autokephalie an die neu gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) durch das Ökumenische Patriarchat hätten das Problem in der Ukraine nur verschärft. Onufrij glaubt auch nicht, dass die Verleihung der Autokephalie an die UOK das Schisma überwinden würde. Einige „Schismatiker“ würden möglicherweise zu einer autokephalen UOK zurückkehren, aber nicht alle, meinte er. Autokephalie „garantiert keine absolute Einheit“, auch die bestehenden autokephalen Kirchen kämpften mit ihren eigenen Spaltungen. Die Probleme könnten nur gelöst werden, wenn „wir unsere persönlichen Ambitionen aufgeben“.
An einer Medienkonferenz in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica, wo er an Massenprotesten gegen das umstrittene neue Religionsgesetz teilnahm, bedauerte Metropolit Onufrij, dass die Entscheidungen der Versammlung in Amman in Bezug auf die Ukraine nicht konkreter ausgefallen seien. Offenbar war in Amman der Konflikt in Montenegro ebenfalls Thema, jedenfalls riefen die Teilnehmer die montenegrinischen Behörden im Kommuniqué auf, das grundlegende Recht auf Eigentum, auch der Kirche, zu respektieren. Auch der Konflikt um die gesamtorthodox nicht anerkannte Makedonische Orthodoxe Kirche wurde anscheinend besprochen. Im Kommuniqué heißt es jedenfalls, die Frage müsse mittels eines Dialogs innerhalb der SOK mit panorthodoxer Unterstützung gelöst werden.
In der ROK ist man mit den Ergebnissen des Gipfels von Amman zufrieden. Es sei nicht darum gegangen, sofort alle Probleme zu lösen, erklärte Nikolaj Balaschov, der stellv. Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats. Das wäre angesichts des Ausmaßes der Krise eine völlig unrealistische Erwartung gewesen. In erster Linie sei es darum gegangen, einen internationalen Dialog in Gang zu bringen. Die Absicht, die Konsultationen fortzusetzen, bezeichnete auch Metropolit Ilarion als wichtiges Ergebnis der Zusammenkunft. Zudem wünscht er sich Bartholomaios‘ Beteiligung an künftigen Treffen. Seine ablehnende Haltung gegenüber Gesprächen führe nur zu einer „Vertiefung der Konfrontation“ zwischen ihm und anderen Kirchen. Trotz seiner „kanonischen Verstöße“, seines „illegalen Eindringens in die Grenzen der ukrainischen Kirche“ und der „Legalisierung der Schismatiker“, sei seine „Teilnahme am Dialog möglich und wichtig“.
Scharfe Kritik kam kurz vor dem Treffen von Patriarch Bartholomaios in einem zweiten Brief an Patriarch Theophilos. Es sei ihm unerklärlich, dass Theophilos die negativen Folgen seiner Initiative unterschätze und sogar ignoriere, heißt es darin. Seine Initiative ziele darauf, die „etablierten Normen zu untergraben und die orthodoxe Kirche von ihren kirchlichen Grundlagen zu entfremden“. (NÖK)
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