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Ukraine: Patriarch Bartholomaios ruft zu friedlichem Zusammenleben der Orthodoxen auf

26. August 2021

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios hat die Vertreter und Gläubigen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) aufgerufen, ihre Position zu überdenken sowie zu einem friedlichen Zusammenleben und Zusammenwirken der Menschen und Orthodoxen in der Ukraine beizutragen. Anlässlich seines Besuchs in der Ukraine zum 30. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes am 24. August erklärt er in der Sophienkathedrale in Kiew, dass das Ökumenische Patriarchat „als Mutterkirche“ bereit sei, „Probleme anzuhören, Zweifel zu zerstreuen, Sorgen zu beruhigen und Wunden zu heilen“.

Zuvor hatte Patriarch Bartholomaios in einem Interview den Kritikern der ukrainischen Autokephalie vorgeworfen, sie würden fremde Interessen vertreten. Die Ablehnung unter Anhängern der UOK, die dem Moskauer Patriarchat untersteht, gründe in der Unfähigkeit, die „Realität anzuerkennen“, und darin, dass sie ein falsches Verständnis von Autokephalie und ihrer Verleihung hätten. Sie wollten der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU), die 2019 vom Ökumenischen Patriarch die Autokephalie erhalten hat, die Unabhängigkeit nicht zugestehen, obwohl die Russische Orthodoxe Kirche (ROK), ihre Unabhängigkeit auf die gleiche Weise erhalten habe. Somit interessierten sie sich nicht für die kanonische Ordnung, sie „ziehen offensichtliche ausländische Interessen kirchlichen Kriterien vor“, erklärte Bartholomaios.

Während seines Besuchs von 20. bis 24. August betonte der Ökumenische Patriarch seine Liebe zum ukrainischen Volk, das „edel und würdig ist“ und nicht „unter einem Joch leben will und kann“. Dabei würden die Unabhängigkeit des Staates und der Kirche Hand in Hand gehen. In Kiew fühle er sich zuhause, da zwischen der Ukraine und dem Ökumenischen Patriarchat viele Beziehungen bestünden. Zudem betonte er, dass das Patriarchat von Konstantinopel nie im Geringsten von seiner Ekklesiologie abgewichen sei, auch als es die Macht und Möglichkeit gehabt hätte, in der Weltorthodoxie eine hierarchische Struktur einzuführen. Im Gegensatz zu anderen Kirchen habe es nie versucht, die Völker zu assimilieren, denen es das Christentum gebracht habe.

Eine der Hauptfeierlichkeiten war die Liturgie unter freiem Himmel bei der Sophienkathedrale am 22. August, die Patriarch Bartholomaios und Metropolit Epifanij (Dumenko), der Leiter der OKU, gemeinsam leiteten. Anwesend waren auch der frühere ukrainische Präsident Petro Poroschenko und zahlreiche Parlamentsabgeordnete. In seiner Rede bezeichnete Epifanij den Moment als „historisch“, weil seine Kirche erstmals als „autokephale, reife“ Kirche den Besuch des Ökumenischen Patriarchen empfange. Bartholomaios bedauerte, dass keine Vertreter der UOK am Gottesdienst teilgenommen hätten.

Bereits im Vorfeld des Besuchs war es zu Protestaktionen von Anhängern der UOK gekommen. So hatten Gläubige der Eparchie Zaporizhzhja in den sozialen Netzwerken Fotos mit dem Hashtag „Stop Bartholomaios“ verbreitet, auf denen sie mit Plakaten mit der Aufschrift „Bartholomaios, wir haben dich nicht eingeladen“ zu sehen sind. Der Amtsleiter der Eparchie rief „alle, die nicht auf diesen Istanbuler Pascha warten,“ auf, sich der Aktion anzuschließen. Der Metropolit von Zaporizhzhja begrüßte die Aktion ebenfalls und rief zur Unterstützung auf. Bei Bartholomaios Ankunft am 20. August standen Gläubige der UOK entlang der Straße vom Flughafen in die Stadt. Dabei hielten sie Plakate mit dem Bild von Metropolit Onufrij (Berezovskij) und der Aufschrift „Unser Vorsteher ist Metropolit Onufrij“ au Ukrainisch, Griechisch und Englisch in die Höhe.

Anhänger der UOK versammelten sich am 21. August auch vor dem ukrainischen Parlament, als Patriarch Bartholomaios dieses besuchte. Mit einer Gebetsaktion wollten sie ihre Loyalität zu Onufrij ausdrücken sowie ein Treffen mit Bartholomaios erreichen, um diesem „die Wahrheit“ über die Folgen seiner „Einmischung“ in der Ukraine zu erläutern. In einer Erklärung warfen sie Bartholomaios vor, bei Übergriffen auf die UOK und ihre Gläubigen geschwiegen und weggesehen zu haben und sie somit „verkauft“ zu haben. Sie beteten dafür, dass Bartholomaios bereuen würde, dass er „Wirren in unser Volk gebracht hat“ und die Teilung verstärkt habe. Ein Treffen mit dem Ökumenischen Patriarchen kam jedoch nicht zustande. Metropolit Onufrij hingegen erteilte den Demonstrierenden seinen Segen.

Laut einer repräsentativen Umfrage Ende Juni begrüßte eine Mehrheit von 57 Prozent der Ukrainer den Besuch des Patriarchen, nur 6 Prozent lehnten ihn ab. Selbst unter den Anhängern der UOK lehnten nur 15 Prozent der Befragten den Besuch ab, während ihn 49 Prozent befürworteten.

Neben Treffen mit dem Präsidenten und weiteren Regierungsvertretern kam Bartholomaios auch mit dem Allukrainischen Rat der Kirchen und religiösen Organisationen zusammen. Dessen Vorsitzender, Großerzbischof Svjatoslav (Schevtschuk), bezeichnete den Gast als „guten Hirten“, der „alle aktuellen Schmerzen des ukrainischen Volks spürt“. Als Leiter der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK) spüre er, dass Bartholomaios nicht nur zu den Orthodoxen gekommen sei, sondern „zu allen Ukrainern, ungeachtet ihrer nationalen, ethnischen und konfessionellen Zugehörigkeit“. Besonders hob er das Engagement des Patriarchen für die Umwelt hervor, dessen Wichtigkeit den Ukrainern angesichts der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe ebenfalls bewusst sei. Gemeinsam mit den Vertretern des Rats, in dem sich seit 25 Jahren zahlreiche ukrainische Religionsgemeinschaften für Frieden und Verständnis einsetzen, pflanzte Bartholomaios auf dem Vladimir-Hügel Ahorne. (NÖK)

Besuch des Ökumenischen Patriarchen bestärkt Orthodoxe Kirche der Ukraine

Anlässlich des 30. Jahrestags der Unabhängigkeit der Ukraine ist Patriarch Bartholomaios nach Kiew gereist. Sein Besuch hat bei den beiden orthodoxen Kirchen des Landes unterschiedliche Reaktionen ausgelöst, wie Bohdan Ohultschanskyj ausführt.


On the succession of Kievan Rus and common space of Ukraine with Russia: analysis of sociological data

Anhand soziologoscher Daten untersucht Sergii Bortnyk untersucht das Verhältnis der Ukrainer zur Verleihung der Autokephlie an die Orthodoxe Kirche der Ukraine und zur Nachfolge der Kiewer Rus'.


NÖK Nachgefragt: Zur aktuellen Lage in der Ukraine

Anfang 2019 ist die Orthodoxe Kirche der Ukraine entstanden und existiert nun neben der Ukrainischen Orthodoxen Kirche. Im Videogespräch nimmt Prof. Dr. Thomas Bremer zur aktuellen Lage der Orthodoxie in der Ukraine Stellung.


Is There a "Frozen Conflict" in Orthodoxy?
Zur Bezeichnung des innerorthodoxen Konflikts um die Ukraine ist in letzter Zeit der Begriff des "eingefrorenen Konflikts" aufgetaucht. Regina Elsner untersucht, inwiefern der Begriff zutrifft und was zur Lösung eines solchen Konflikts nötig wäre.

Toward a New Ecclesiological Paradigm? Consequences of the Ukrainian Autocephaly
Thomas Bremer weist darauf hin, dass in der Ukraine mit der Gründung der OKU eine ähnliche Situation wie in der orthodoxen Diaspora entstanden ist, bei der mehrere Bischöfe für das gleiche Territorium zuständig sind, und plädiert für eine Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung.

Cyril Hovorun zum ersten Jahr der Orthodoxen Kirche der Ukraine
Ein Jahr nach der Gründung der Orthodoxen Kirche der Ukraine schildert Cyril Hovorun, wie sich die neue Kirche seither entwickelt hat und wie sich ihre Beziehungen zu Kirchen in der Ukraine sowie der Weltorthodoxie gestalten.

Georgios Vlantis zur Anerkennung der Orthodoxen Kirche der Ukraine durch Athen
Nach einer längeren innerkirchlichen Debatte hat die Orthodoxe Kirche von Griechenland die neue Orthodoxe Kirche der Ukraine anerkannt. Georgios Vlantis geht auf die Debatte ein und erläutert die Motive von Erzbischof Hieronymos von Athen.

Ukrainian Autocephaly and Responsibility toward the Faithful
Das Komitee für inter-orthodoxe und inter-christliche Beziehungen der Hl. Synode der Griechischen Orthodoxen Kirche hat sich in den letzten Monaten mit der Ukraine-Frage beschäftigt und an der Bischofsversammlung vom 12. Oktober seine Ergebnisse präsentiert; hier ein Auszug.

Proposal for dealing with the Ukrainian issue
Metropolit Hierotheos (Vlachos) von Navpaktos schlägt ein mögliches Vorgehen in der Ukraine-Frage vor, nachdem er sich bereits 2008 und 2014 und in den letzten beiden Jahren mehrfach zum Thema geäußert hat.

Filaret’s Final Act and the Future of the Orthodox Church of Ukraine
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Tornike Metreveli zu Wahlen und Religion in der Ukraine

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Kirche in Kiew: Lokales Handeln und globaler Glauben
Über die Autokephalie der Orthodoxen Kirche der Ukraine werden hitzige Debatten geführt. Konstantin Sigov ruft in Erinnerung, dass aus theologischer Sicht alle orthodoxen Kirchen den einen Leib Christi bilden. Diese Einheit ist tiefer als alle ethnischen, politischen oder linguistischen Unterschiede.

Orthodoxie in der Ukraine: Panorama und Entwicklungstendenzen
Anlässlich des Vereinigungskonzils vom 15. Dezember, an dem das Oberhaupt der neuen autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine gewählt wurde, blickt Bohdan Ohultschanskyj auf die Spaltungen und Bemühungen um Autokephalie in der Ukraine seit den 1990er Jahren zurück.

After the Council: Challenges Facing the Orthodox Church of Ukraine
Am 15. Dezember hat ein Vereinigungskonzil in der Ukraine das Oberhaupt der neuen autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine gewählt. Nicholas Denysenko identifiziert drei zentrale Herausforderungen, vor denen die neue Kirche nun steht.


Die Autokephaliefrage der Ukrainischen Orthodoxen Kirche: Plädoyer für einen sozialethischen Ansatz
In der Debatte um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche wird oft kanonisch oder historisch argumentiert, dabei bleibe die konkrete Situation der Betroffenen auf der Strecke, erklärt Cezar Marksteiner-Ungureanu; deshalb plädiert er für einen sozialethischen Ansatz.

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Der Bruch zwischen Moskau und Konstantinopel wird zahlreiche Auswirkungen haben, beispielsweise auf die Zusammenarbeit in orthodoxen Institutionen in der Diaspora, erklärt Assaad Elias Kattan. Zugleich bezweifelt er, dass andere orthodoxe Kirchen Moskau folgen werden.

The Case for Constantinople
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Kann die Geschichte den Konflikt um die ukrainische Autokephalie lösen?
In den Debatten um eine mögliche Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche wird immer wieder historisch argumentiert. Thomas Bremer und Sophia Senyk untersuchen diese Argumentation und ihr Potential, zur Konfliktlösung beizutragen.

Sergii Bortnyk zur Situation der ukrainischen Orthodoxie
Die Entsendung zweier Exarchen in die Ukraine durch das Ökumenische Patriarchat hat die Spannungen um eine mögliche Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche zusätzlich befeuert. Zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine nimmt Sergii Bortnyk Stellung.

Unabhängige Kirche in der Ukraine: Friendensgarant oder Kriegstreiber?
Der Streit um eine autokephale Kirche in der Ukraine eskaliert zusehends. Regina Elsner analysiert im ZOiS Spotlight anhand der vier friedensethischen Leitkategorien – Recht, Gerechtigkeit, Gewalt und Herrschaft – Risiken und Chancen der Entwicklung.

Die russische Kirche verliert die Ukraine
Sergej Chapnin interpretiert das Treffen der Patriarchen von Moskau und Konstantinopel vom 31. August 2018, bei dem es um die Frage der Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche ging, und vermutetet einen unerfreulichen Ausgang für die Russische Orthodoxe Kirche.

Liliya Berezhnaya zur Frage der Autokephalie in der Ukraine
Die jüngsten Bemühungen um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche haben zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Liliya Berezhnaya erläutert die Rollen und Absichten der Beteiligten und setzt die Autonomiebestrebungen in einen historischen Kontext.

The Promise of Autocephaly in Ukraine: What’s at Stake?
Im April 2018 hat Präsident Petro Poroschenko, unterstützt vom Parlament, den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios offiziell um die Autokephalie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche gebeten. Nicholas Denysenko analysiert, was für die verschiedenen Akteure auf dem Spiel steht.