Deutschland: Bundespräsident Steinmeier kritisiert die Russische Orthodoxe Kirche scharf
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat an der Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) klare Worte der Kritik an der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) gefunden. In seiner Rede an der Eröffnung der Vollversammlung warf er der Leitung der ROK vor, ihre Mitglieder und die ganze Kirche auf einen „gefährlichen und tatsächlich blasphemischen Weg“ zu führen, der ihrem ganzen Glauben widerspreche. Sie „rechtfertigt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, gegen ihre eigenen und unsere eigenen Brüder und Schwestern im Glauben“.
Steinmeier rief dazu auf, sich – auch an der ÖRK-Vollversammlung – gegen „diese Propaganda“, die imperialistische Fantasien als Gottes Willen darstelle, zu stellen. Die Verbrechen müssten bei ihrem Namen genannt und verurteilt werden, und als christliche Gemeinschaft müsse man das Bekenntnis für die Würde, Freiheit und Sicherheit der Menschen in der Ukraine ausdrücken. In diesem Sinn hieß er die Delegationen der Kirchen aus der Ukraine willkommen. Mit Blick auf die Delegation der ROK betonte er seine Erwartung an die ÖRK-Versammlung, sie „nicht mit der Wahrheit über diesen brutalen Krieg und der Kritik an der Rolle ihrer Kirchenführer zu verschonen“. Mit Blick auf die Position des ÖRK, dass der „Dialog zumindest möglich gemacht werden sollte“, mahnte Steinmeier an, dass Dialog kein Selbstzweck sei, sondern Ereignisse ans Licht bringen, Aufmerksamkeit auf Ungerechtigkeiten ziehen und Opfer, Täter und ihre Handlanger identifizieren müsse. Wenn der Dialog nicht „über fromme Wünsche und vage Verallgemeinerungen“ hinausgehe, könne er schlimmstenfalls zu einer Plattform für Rechtfertigung und Propaganda werden.
Der Bundespräsident erinnerte auch an die russischen Geistlichen, die sich trotz aller Drohungen öffentlich gegen den Krieg gestellt hatten. Deren Beispiel „erinnert an die Verantwortung der Religionen für den Frieden“. Auch wenn sie nicht an der Vollversammlung anwesend sein und sprechen könnten, sagte er zu ihnen, „wir hören euch!“. Die Führung der ROK hingegen habe sich auf die Seite der Verbrechen des Kriegs gegen die Ukraine gestellt. Dieser als Theologie verkleidete Totalitarismus habe zur Zerstörung und Beschädigung zahlreicher religiöser Stätten geführt. Kein gläubiger Christ könne darin Gottes Willen sehen.
Der Leiter der ROK-Delegation, Metropolit Antonij (Sevrjuk), der das Außenamt des Moskauer Patriarchats leitet, wies Steinmeiers Kritik in einer schriftlichen Reaktion zurück. Dessen Rede habe „völlig unbestätigte Anschuldigungen“ enthalten, die die ganzen humanitären Bemühungen der ROK ignorieren würden. Damit habe Steinmeier als hochrangiger Vertreter der Staatsmacht groben Druck auf den ÖRK ausgeübt, sich in dessen innere Angelegenheiten eingemischt und versucht, den „friedensstiftenden und neutralen Charakter“ von dessen Tätigkeit in Zweifel zu ziehen. Im Gegensatz dazu habe der Generalsekretär des ÖRK, Ioan Sauca, betont, wie wichtig die Anwesenheit der ROK an der Vollversammlung sei. Dies und zahlreiche Äußerungen von Delegierten verschiedener Kirchen gegenüber der Delegation der ROK zeigten, dass „die Anschuldigungen des deutschen Bundespräsidenten gegen die Kirche nicht die von ihm erwartete Unterstützung haben“.
Am 1. September trafen zudem im Rahmen der ÖRK-Vollversammlung die ÖRK-Leitung und die Delegation der ROK zusammen. Aus Sicht der ROK verlief das Treffen einträchtig, so habe Sauca versichert, im ÖRK „sprechen wir in der Sprache des Glaubens, nicht der Politik, wir sind eine offene Plattform für alle“. Die ROK sei ein „vollwertiges Mitglied unserer Bruderschaft“. Mit Blick auf die politischen Konfrontationen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine erklärte er, es könne nicht die Rede von einer Isolierung der ROK-Delegation an der Vollversammlung sein. Agnes Aboum, die Moderatorin des ÖRK-Zentralkomitees, fügte hinzu, dass die Position des ÖRK zur Frage der Mitgliedschaft der ROK den Entscheidungen des Zentralkomitees entspreche, laut denen der ÖRK eine offene Plattform für den Dialog aller Christen bleiben müsse. Der Vize-Moderator des Zentralkomitees, Metropolit Nifon (Mihăiţă) von Târgovişte, sagte zur ROK-Delegation, es sei sehr wichtig, „solidarisch miteinander zu sein, ungeachtet aller bestehenden Schwierigkeiten“.
Metropolit Antonij erwiderte gegenüber der ÖRK-Leitung, die ROK wisse seit ihrem Beitritt, dass sie „ungehindert an der Arbeit dieses größten religiösen Forums teilnehmen kann“, auch wenn sich die politischen Umstände in der Welt immer wieder verändern. Zudem betonte er noch einmal, dass die ROK alles ihr Mögliche tue, um den „Opfern des Konflikts“ zu helfen. (NÖK)
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