Ukraine: Zweite Liturgie der OKU im Höhlenkloster, UGKK erhebt Anspruch auf Lavra von Potschajev
Am orthodoxen Theophaniefest am 19. Januar hat die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) zum zweiten Mal in der Mariä-Entschlafens-Kathedrale in der oberen Lavra des Kyjiwer Höhlenklosters einen Gottesdienst gefeiert. Nachdem der Pachtvertrag der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) für die Kathedrale und die nahegelegene Refektoriumskirche Ende 2022 nicht verlängert worden war, durfte die OKU am 7. Januar dort die Weihnachtsliturgie feiern. In seiner Predigt am Theophanie-Gottesdienst rief Metropolit Epifanij (Dumenko) dazu auf, für die Opfer von Dnipro, wo ein Wohnhaus von einer russischen Rakete getroffen worden ist, und des Helikopterabsturzes von Brovary zu beten.
Bei den beiden Gottesdiensten der OKU in der Entschlafens-Kathedrale gab es offenbar Störversuche. Am Weihnachtsgottesdienst verhinderten Epifanijs Wächter, dass ein Mann grünes Desinfektionsmittel in den Kelch für die Kommunion schüttet. An der Theophaniefeier wurde im Altarraum ein Seminarist der UOK festgehalten, der gegenüber OKU-Vertretern offenbar sagte, er habe die Feier auf irgendeine Art stören wollen. Der Seminarist wurde der Polizei übergeben.
Die ukrainischen Behörden wollen nun offenbar auch den Pachtvertrag mit der UOK für die untere Lavra überprüfen. Die Stellvertreterin des Leiters des Parlamentskomitees für Fragen der humanitären und Informationspolitik, Jevgenija Kravtschuk, wies darauf hin, dass im Pachtvertrag von 2013 keine Frist für die Nutzung der Anlage festgesetzt sei. Auch wenn die Pacht unbefristet sei, müsste das im Vertrag angegeben sein, was nicht der Fall sei, erklärte sie. Zur Überprüfung des Dokuments sollen Spezialisten des Justizministeriums beigezogen werden. Im Dezember 2022 wurde zudem eine übergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, um zu überprüfen, ob sich die UOK an die Nutzungsbedingungen für die Anlagen des Höhlenklosters hält, und um entsprechende Vorschläge und Empfehlungen zu erarbeiten.
Während die OKU bereits ihre Ansprüche auf die gesamte Kyjiwer Lavra, auch die untere, von der UOK genutzte, angekündigt hat, möchte die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche (UGKK) das Recht erhalten, in der Lavra von Potschajev Gottesdienste zu feiern. Auch diese wichtige ukrainische Klosteranlage ist zurzeit an die UOK verpachtet. In einem Interview erklärte Großerzbischof Svjatoslav (Schevtschuk), das Oberhaupt der UGKK, seine Kirche stelle „heute gegenüber niemandem irgendwelche Ansprüche auf Eigentum“. Aber die Lavra von Potschajev sei „historisch ein großes spirituelles Zentrum unserer Kirche“. Sie sei ein „einzigartiges Zentrum der musikalischen, spirituellen, religiösen und internationalen Kultur“ gewesen. Zudem hätten Verbindungen zwischen den Orthodoxen im Kyjiwer Höhlenkloster und den Griechisch-Katholischen in Potschaejev bestanden. Die sowjetischen Behörden hätten die ganze Anlage in den Besitz der Oblast Ternopil überführt, um die unierte Kirche zu zerstören, führte Svjatoslav aus. Wenn es also um die Entscheidung gehen werde, wem der Zugang zum Beten in der Lavra gewährt werden soll, müsse die historische Beziehung der UGKK zur Lavra berücksichtigt werden.
Der ukrainische Kulturminister Oleksandr Tkatschenko kündigte an, dass die Arbeitsgruppe zur Kontrolle der Nutzung von Staatseigentum nach der Inventur des Höhlenklosters auch die Nutzung der Lavra von Potschajev kontrollieren werde. Das dritte Kloster mit dem Ehrentitel Lavra in der Ukraine, die Lavra von Svjatohirsk, ist nicht in Staatsbesitz, sondern wird von den Regionalbehörden verwaltet. Daher liege die Initiative zu einer allfälligen Überprüfung bei diesen.
Zudem wurde ein weiterer Gesetzesentwurf im ukrainischen Parlament eingebracht, der Änderungen am Gesetz zur Religionsfreiheit und am Gesetz über die Registrierung juristischer und physischer Personen vorsieht und auf die UOK zielt. Mit dem Gesetzesprojekt Nr. 8371, das vom Ministerkabinett eingereicht wurde und auf Initiative von Premierminister Denis Schmygal erarbeitet wurde, soll die Tätigkeit von religiösen Organisationen in der Ukraine verboten werden, die aus einem Land geleitet werden, das einen bewaffneten Angriff auf die Ukraine verübt hat. Der Vertreter der Regierung im Parlament, Taras Melnitschuk, erklärte auf Telegram, die Initiative diene der „Sicherstellung der spirituellen Unabhängigkeit, der Verhinderung einer Spaltung der Gesellschaft aufgrund der Religion, der Förderung der Konsolidierung der ukrainischen Gesellschaft und dem Schutz nationaler Interessen“.
In der Rada sind bereits die Gesetzesprojekte Nr. 8262 und Nr. 8221 hängig, die ebenfalls die UOK einschränken sollen. Außerdem hat der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Regierung am 1. Dezember den Auftrag erteilt, ein Gesetz zum Verbot von Religionsgemeinschaften mit Verbindungen nach Russland zu erarbeiten. Dagegen wurde am 13. Januar eine Petition lanciert. Die Initianten – Gläubige der UOK – beteuern, patriotische Ukrainer zu sein, die nie für die Interessen eines anderen Staats gearbeitet haben, sowie den Krieg, jegliche Änderungen der ukrainischen Grenzen und alle tatsächlichen Fälle von Kollaboration verurteilen. Die Verbrechen einzelner Kirchenvertreter dürften nicht der gesamten Kirche angelastet werden, denn die meisten Gläubigen der UOK engagierten sich auf vielfältige Weise in der Landesverteidigung. Sie kollektiv als Kollaborateure zu diffamieren, führe zu ihrer Demoralisierung und diene im Sinn einer gesellschaftlichen Spaltung letztlich Russland. Bis am 24. Januar haben 10‘959 Personen die Petition unterschrieben.
Nachdem gegen den russischen Patriarchen Kirill schon seit Ende Oktober 2022 Sanktionen in Kraft sind, hat der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine Sanktionen gegen 21 weitere Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) verhängt. Diese würden unter dem „Deckmantel der Spiritualität den Terror und eine genozidale Politik unterstützen“, sagte der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyj in einer Videoansprache. Unter den sanktionierten ROK-Vertretern sind vor allem leitende Mitarbeiter der Synodalabteilungen zur Zusammenarbeit der ROK mit der russischen Armee sowie des kirchlichen Außenamts, darunter sein aktueller Leiter, Metropolit Antonij (Sevrjuk), und sein früherer Leiter, Metropolit Ilarion (Alfejev). Betroffen ist auch Vladimir Legojda, der vorübergehend den Pressedienst des Moskauer Patriarchats leitet, sowie der Leiter der Vereinigung der russischen Pfingstgemeinden, Sergej Rjachovskij. Zelenskyj kündigte zudem an, weiteren Personen die ukrainische Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Doppel- oder Mehrfachbürgern, die über die russische Staatbürgerschaft und „politischen oder geistlichen Einfluss auf unseren Staat“ verfügten, solle die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen werden. Und mit der russischen Staatsbürgerschaft „sollen sie auch im entsprechenden Staat leben“, das scheine ihm „völlig gerecht“. (NÖK)
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